Die Bundesregierung hatte im März 2015 angekündigt, der Prüfbitte des Bundesrates, durch welche zivilrechtliche Regelung sichergestellt werden könne, dass die wirtschaftlichen Interessen von Minderheitsaktionären von börsennotierten Aktiengesellschaften im Falle eines Rückzugs von der Börse ausreichend geschützt werden, nachzukommen. Neben einer Mindestfrist zwischen Ankündigung und Umsetzung der Maßnahme wurden insbesondere Mitspracherechte der Aktionäre, die gesetzliche Pflicht zur Abgabe eines Kaufangebots an die Minderheitsaktionäre sowie die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme selbst und der Angemessenheit der angebotenen Barabfindung im Rahmen eines Spruchverfahrens diskutiert.
Der Bundestag hat am 1. Oktober 2015 das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie verabschiedet. Darin sind u.a. Änderungen des BörsG, des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) und der WpÜG-Angebotsverordnung beschlossen worden, um eine gesetzliche Verbesserung des Anlegerschutzes beim Widerruf der Zulassung eines Wertpapiers zum Handel am regulierten Markt (einschließlich des „Downlistings“) zu erreichen.
Nach dem neuen § 39 Abs. 2 Satz 3 BörsG ist bei Wertpapieren im Sinne des § 2 Abs. 2 WpÜG der Widerruf der Zulassung künftig nur zulässig, wenn (1) eine Unterlage über ein Angebot zum Erwerb aller Wertpapiere veröffentlich wurde oder (2) die Wertpapiere weiterhin an einer anderen inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt oder in einem anderen EU/EWR-Staat zum Handel an einem organisierten Markt mit entsprechenden Vorschriften zum Delisting zugelassen sind. Bei einem solchen Angebot ist eine angemessene Gegenleistung anzubieten, die in einer Geldleistung in Euro bestehen und mindestens dem gewichteten Börsenkurs der Wertpapiere während der letzten sechs Monate vor der Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 oder § 35 Abs. 1 Satz1 WpÜG entsprechen muss. In den Fällen, in denen der Börsenkurs nach übernahmerechtlichen Maßstäben nicht in aussagekräftiger Weise festgestellt werden kann, weil an weniger als einem Drittel der Börsentage Börsenkurse festgestellt wurden und mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5 Prozent voneinander abweichen, hat die Bemessung der Gegenleistung anhand einer Unternehmensbewertung zu erfolgen. Dies gilt auch, wenn Ad-hoc-Meldungen falsch waren oder der Emittent den Kurs manipuliert hat.
Der Rechtsschutz des Anlegers richtet sich insoweit ausschließlich nach dem neuen § 39 Abs. 3 Satz 3 und 4 BörsG sowie nach dem WpÜG. Es ist kein Verfahren entsprechend den aktienrechtlichen und umwandlungsrechtlichen Spruchverfahren vorgesehen. Der Anleger kann die Angemessenheit der Gegenleistung in einem zivilrechtlichen Verfahren überprüfen lassen. Die Entscheidung der Börsengeschäftsführung über den Widerruf der Zulassung bleibt davon unberührt. Bei Ansprüchen auf eine Gegenleistung anhand einer Unternehmensbewertung kann zukünftig das Musterfeststellungsverfahren nach dem KapMuG angestrengt werden. Des Weiteren muss zukünftig in der Angebotsunterlage entsprechend der WpÜG-Angebotsverordnung ausdrücklich auf mögliche Einschränkungen der Handelbarkeit als Folge des Widerrufs der Zulassung der Wertpapiere zum regulierten Markt und die damit einhergehende Möglichkeit von Kursverlusten hingewiesen werden, um den Wertpapierinhabern die Risiken zu verdeutlichen, die mit einer Nicht-Annahme des Angebots einhergehen.
Erweiterte Mitentscheidungsrechte für die Aktionäre, insbesondere ein Hauptversammlungsbeschluss, sind vor dem Hintergrund der kapitalmarktrechtlichen Schutzbestimmungen nicht vorgesehen.
Die Änderungen des BörsG und Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes und die Änderung der WpÜG-Angebotsverordnung treten am Tag nach der Verkündung in Kraft.
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