Herr Enderstein, Herr Born, in den vergangenen Monaten wurden diverse Social Bonds emittiert. Welche Ziele werden mit diesem Finanzierungsinstrument verfolgt, und wie unterscheidet es sich von anderen nachhaltigen Anleihen?

Enderstein: Die als Social Bonds bezeichneten Schuldverschreibungen eint die Verwendung ihrer Emissionserlöse für soziale Projekte. Gemäß den Social Bond Principles des Branchenverbands International Capital Market Association (ICMA) können Projekte im Bereich der Basisinfrastruktur, der sozialen Dienstleistungen, des bezahlbaren Wohnraums, der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Nahrungsmittelsicherheit oder sozialer Förder- und Integrationsmaßnahmen finanziert werden. Die zweckgebundene Mittelverwendung ist kennzeichnend auch für andere nachhaltige Finanzprodukte, die unter dem Akronym ESG - Environmental, Social, Governance - zusammengefasst werden. Pionier waren die Green Bonds zur Finanzierung von Umweltprojekten. Eine Schnittmenge bilden Sustainability Bonds, deren Erlöse einer Kombination aus Umwelt- und Sozialprojekten dienen. Hiervon ist die neue Kategorie der Sustainability-Linked Bonds abzugrenzen. Bei diesen ist die Zweckbindung keine Voraussetzung; vielmehr sind Charakteristika wie der Zinssatz in Abhängigkeit von ESG-Kennzahlen des Emittenten variabel ausgestaltet. Die ICMA hat jüngst erstmals Principles für die neue Kategorie veröffentlicht.

Welche Bedeutung haben Social Bonds inzwischen erreicht?

Born: Bislang standen Green Bonds im Zentrum der Aufmerksamkeit, vor allem wegen der hohen Emissionsvolumina. In der durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufenen Krise haben jedoch Social Bonds an Relevanz gewonnen. Projekte zur Bewältigung der Pandemiefolgen werden von der ICMA als mögliche soziale Projekte hervorgehoben. Emittenten wie Weltbank oder Europäische Investitionsbank haben Anleihen zur Finanzierung der Krisenfolgen in Rekordhöhe emittiert. Dominierten 2019 noch Green Bonds die nachhaltigen Anleiheemissionen, ist 2020 ein starker Anstieg von Social Bonds und Sustainability Bonds zu verzeichnen.

Wie reagieren Investoren auf solche Anleihen?

Enderstein: Nachhaltige Kapitalanlagen haben in den letzten Jahren allgemein einen enormen Aufschwung erlebt. Speziell Social Bonds stießen zuletzt auf großes Interesse der Anleger. So wurde etwa die Sozialanleihe der NRW.Bank, die jüngst als erste deutsche Förderbank einen Social Bond begeben hat, von Investoren dreifach überzeichnet.

Was müssen Emittenten bei der Ausgabe eines Social Bonds be-achten?

Born: Die Social Bond Principles der ICMA umfassen vier Komponenten. Kern ist die Zweckbindung der Emissionserlöse für soziale Projekte, die in der Dokumentation der Anleihen festzuhalten ist. Weiter ist der Prozess der Projektauswahl transparent zu kommunizieren. Drittens hat der Emittent durch interne Prozesse sicherzustellen, dass die Erlöse für die Finanzierung sozialer Projekte verwendet werden. Schließlich fordert die ICMA eine jährliche und zeitnahe Berichterstattung, die qualitative und, wenn möglich, quantitative Kennzahlen verwendet.

Wie wird die Verwendung der Einnahmen kontrolliert?

Enderstein: Die ICMA empfiehlt den Emittenten eine externe Prüfung, die neben der laufenden Mittelverwendung auch den Organisationsrahmen einbeziehen kann: Eine unabhängige Institution beurteilt zunächst das Rahmenwerk des Emittenten auf Einhaltung der ICMA Principles. Der Emittent kann sodann- die zweckentsprechende Verwendung der Erlöse verifizieren lassen. Zudem ist eine Zertifizierung oder ein Rating durch spezialisierte Agenturen möglich.

Die Stadt München hat einen Social Bond begeben, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Ist das ein Modell für andere Gebietskörperschaften?

Born: Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum wird ausdrücklich in den Prinzipien der ICMA genannt. Social Bonds sind also grundsätzlich auch für andere Städte eine Option. Kommunale Emittenten müssen aber den damit verbundenen Mehraufwand gegen den Nutzen abwägen, sich eine zurzeit nachgefragte Finanzierungsquelle zu erschließen.

Christoph Enderstein ist Partner und Dr. Michael Born Counsel in der Kapitalmarktrechtspraxis von Norton Rose Fulbright in Frankfurt. Die Fragen stellte Helmut Kipp.

 

First published in Börsenzeitung on 28th  August 2020 and reproduced with kind permission



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