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Not so exempt: A cautionary tale for authorised representatives
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Global | Publication | November 2023
In einer wegweisenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15. September 2023 (V ZR 77/22) die Aufklärungspflichten von Verkäufern im Zusammenhang mit der Nutzung eines Datenraums verschärft:
Sofern ein Verkäufer dem Käufer Zugriff auf einen Datenraum mit Unterlagen und Informationen zum Verkaufsobjekt gewährt, erfüllt der Verkäufer seine Aufklärungspflicht durch die Informationsbereitstellung im Datenraum nur, wenn und soweit dieser aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum tatsächlich Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird.
Die Entscheidung betrifft damit im Kern eine Frage der Erfüllung einer verkäuferseitigen Aufklärungspflicht, was das grundsätzliche Bestehen vorvertraglicher Aufklärungs- und Offenbarungspflichten des Verkäufers voraussetzt. Insoweit entsprach es insbesondere bereits der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass der Verkäufer einen Kaufinteressenten im Rahmen der Verhandlungen über einen Unternehmenskauf auch ungefragt über solche Umstände aufzuklären hat, die den Vertragszweck des potentiellen Vertragspartners vereiteln oder zumindest erheblich gefährden können und daher für seinen Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern dieser nach der Verkehrsauffassung eine entsprechende Mitteilung erwarten kann. Hierbei können den Verkäufer im Hinblick auf die wirtschaftliche Tragweite des Geschäfts und die regelmäßig erschwerte Bewertung des Kaufobjekts durch den Kaufinteressenten grundsätzlich auch gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten treffen.
Im entschiedenen Fall hatte die beklagte Verkäuferin dem Kläger mehrere Gewerbeeinheiten zu einem Kaufpreis von ca. EUR 1,5 Mio. unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft. Im Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass mit einer unwesentlichen Ausnahme keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig fällige Sonderumlage ergebe. Darüber hinaus versicherte die Verkäuferin dem Kläger, dass nach ihrer Kenntnis keine außergewöhnlichen, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckte Kosten im laufenden Wirtschaftsjahr angefallen seien und ihr auch nicht bekannt sei, dass solche Kosten bevorstünden oder weitere Sonderumlagen beschlossen worden seien. Im Kaufvertrag wurde zudem festgehalten, dass die Verkäuferin der Käuferin die Protokolle der Eigentümerversammlungen der letzten drei Jahre übergeben und die Käuferin Kenntnis von dem Inhalt der Unterlagen habe.
Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen hatte die Käuferin Zugriff auf einen von der Verkäuferin eingerichteten virtuellen Datenraum erhalten, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Kurz vor dem für einen Montagmorgen angesetzten notariellen Beurkundungstermin wurden am vorhergehenden Freitag noch wesentliche Unterlagen in den Datenraum hochgeladen, ohne dass die Verkäuferin die Käuferin hierüber gesondert informierte. Hierbei handelte es sich um das Protokoll einer früheren Eigentümerversammlung, aus dem sich ergab, dass auf die Käuferin als (zukünftige) Miteigentümerin Kosten von bis zu EUR 50 Mio. für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zukommen könnten.
Nach Abschluss der Transaktion wurde die Käuferin dann auch als neue Miteigentümerin in Anspruch genommen und sollte eine Sonderumlage in Höhe von EUR 750.000, bei Bedarf sogar bis zu EUR 50 Mio., für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zahlen.
Daraufhin focht die Käuferin den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an und erklärte vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen entschied der BGH, dass die Verkäuferin die Käuferin nicht hinreichend über eine konkret drohende Sonderumlage in Höhe von bis zu EUR 50 Mio. aufgeklärt und sie damit hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen eine sie treffende vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt habe.
Insbesondere habe die Verkäuferin ihre Aufklärungspflicht nicht schon dadurch erfüllt, dass sie das Protokoll der Eigentümerversammlung kurz vor Abschluss des Kaufvertrages in den Datenraum eingestellt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH schließe die für die Käuferin bestehende Möglichkeit, sich die Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand selbst zu verschaffen, die Pflicht des Verkäufers zur Offenbarung nicht von vornherein aus.
Zwar dürfe ein Verkäufer davon ausgehen, dass bei einer physischen Besichtigung eines Kaufobjekts dessen offensichtliche Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Allerdings sei eine solche Besichtigung eines Kaufobjekts nicht ohne Weiteres mit anderen Konstellationen gleichzusetzen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich die Kenntnis über derartige Umstände selbst zu verschaffen.
Die Konstellation, dass der Verkäufer einen Datenraum einrichtet und dem Kaufinteressenten den Zugriff auf die Daten ermöglicht, lasse nicht stets den Schluss zu, dass der Käufer den offenbarungspflichtigen Umstand zur Kenntnis nehmen wird. Nur wenn im Einzelfall die Erwartung gerechtfertigt sei, dass der Käufer bestimmte, vom Verkäufer in dem Datenraum bereit gestellte Informationen wahrnehmen, hierdurch Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen und in seine Kaufentscheidung einbeziehen werde, sei eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer nicht erforderlich.
Ob und inwieweit ein Verkäufer aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben könne, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von dem offenbarungspflichtigen Umstand erlangen wird, ist nach Ansicht des BGH von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Als (nicht abschließende) Kriterien nennt der BGH
Im vorliegenden Fall konnte die Verkäuferin nach Ansicht des BGH nicht die berechtigte Erwartung haben, dass die Käuferin die in dem Protokoll enthaltenen Informationen noch vor Vertragsschluss zur Kenntnis nehmen würde.
Die Käuferin habe ohne gesonderten Hinweis auf das neu eingestellte Dokument keinen Anlass gehabt, in dem kurzen Zeitfenster zwischen dem Einstellen des Protokolls an einem Freitag und dem Notartermin am darauffolgenden Montagmorgen noch einmal Einsicht in den Datenraum zu nehmen. Vielmehr hätte die Verkäuferin nach Ansicht des BGH der Käuferin einen diesbezüglichen Hinweis geben müssen.
Die BGH-Entscheidung betrifft zwar konkret eine immobilienrechtliche Konstellation, verschärft allerdings für die Transaktionspraxis generell die Informations- und Aufklärungspflichten von Verkäufern bei Nutzung eines Datenraums.
Im Lichte der vom BGH aufgezeigten Kriterien zur Frage, ob und inwieweit Verkäufer die berechtigte Erwartung haben dürfen, dass Käufer tatsächlich Kenntnis von einem offenbarungspflichtigen Umstand haben, wird zukünftig der sorgfältigen Vorbereitung und Aktualisierung von Datenräumen noch größere Bedeutung zukommen. Zudem wird der Verkäufer bei den – in der Transaktionspraxis nicht unüblichen – erst kurz vor Vertragsunterzeichnung erfolgenden letzten Informationsbereitstellungen besonders kritisch vorab prüfen müssen, ob diese nur unwesentliche Informationen beinhalten und eine „kommentarlose“ Bereitstellung über den Datenraum ausreichend ist, oder ob er nur mit entsprechenden zusätzlichen Hinweisen auf wesentliche Informationen an den Käufer seiner Aufklärungspflicht genügt.
Eine pauschale Freizeichnung des Verkäufers über eine Vertragsklausel, wonach der Käufer bestätigt, den Inhalt des Datenraums zur Kenntnis genommen zu haben, wird für sich genommen zukünftig nicht mehr ausreichen. Vielmehr sind Verkäufer fortan gehalten, die Käuferseite über für die Kaufentscheidung wesentliche Umstände angemessen frühzeitig und transparent zu informieren. Eine Offenlegung wesentlicher Informationen kurzfristig vor dem Signing wird zukünftig grundsätzlich nur noch hinnehmbar sein, sofern dem Käufer flankierend ein diesbezüglich expliziter Hinweis gegeben wird und eine Prüfung der neuen Informationen im Sinne einer Einbeziehung in die Kaufentscheidung tatsächlich noch erfolgen kann, wobei jedoch stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Unabhängig davon wird der konkreten Vereinbarung im Kaufvertrag hinsichtlich der Prüfung der im Datenraum bereitgestellten Informationen und der diesbezüglichen Dokumentation zukünftig gesteigerte Bedeutung zukommen.
Vor dem Hintergrund dieses BGH-Urteils sollten Verkäufer jedoch grundsätzlich und von vorneherein ihr Augenmerk auf eine sorgfältige Transaktionsvorbereitung legen, einschließlich eines angemessen strukturierten und befüllten Datenraums sowie transparenten und rechtzeitigen Aktualisierungen desselben. Einem Verkäufer bleibt es jedoch – auch nach diesem BGH-Urteil – grundsätzlich weiterhin unbenommen, seine Aufklärungs- und Offenlegungspflichten jenseits einer Informationsbereitstellung im Datenraum auf andere Art und Weise, beispielsweise durch Informationsbereitstellung via E-Mail oder Vertragsanlagen, zu erfüllen.
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