Cheat-Software ist für Spielehersteller seit Langem ein Ärgernis. Doch stellt sie auch eine Urheberrechtsverletzung dar? In einer wegweisenden Entscheidung vom 31. Juli 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Cheat-Tools, die lediglich In-Game-Variablen im RAM manipulieren – ohne den Programmcode zu verändern – nicht gegen das Softwareurheberrecht nach EU-Recht verstoßen.
Das Urteil, das auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückgeht, hat weitreichende Folgen – nicht nur für die Gaming-Branche.
Der Fall: Sony gegen Datel
Sony klagte gegen das britische Unternehmen Datel, Anbieter von Cheat-Tools wie Action Replay PSP und Tilt FX. Diese Tools ermöglichten Spielern Vorteile in Spielen wie MotorStorm Arctic Edge – etwa unbegrenzten Turbo oder das Freischalten aller Charaktere. Dabei wurde jedoch nicht der Programmcode verändert, sondern lediglich bestimmte Speicherstellen im RAM manipuliert.
Sony argumentierte, dies stelle eine unzulässige Modifikation gemäß § 69c Nr. 2 UrhG und der EU-Software-Richtlinie 2009/24/EG dar.
Während das LG Hamburg zunächst teilweise zugunsten von Sony entschied, wies das OLG die Klage vollständig ab. Der BGH legte daraufhin zentrale Fragen dem EuGH zur Auslegung vor.
Die Rechtsfrage: Was gilt als „Modifikation“?
Im Zentrum stand die Frage: Stellt die Veränderung von RAM-Daten während der Programmausführung – ohne Änderung des Quell- oder Objektcodes – eine urheberrechtlich relevante Modifikation dar?
Der EuGH verneinte dies in seiner Entscheidung vom 17. Oktober 2024:
- Der Urheberrechtsschutz für Software erstreckt sich nicht auf funktionale Manipulationen von RAM-Variablen.
- Solche Handlungen stellen weder eine Vervielfältigung noch eine Modifikation des geschützten Codes oder seiner Kopien dar.
- Daher liegt keine Urheberrechtsverletzung vor.
Der BGH übernahm die Auslegung der Software-Richtlinie durch den EuGH und entschied entsprechend: Keine Urheberrechtsverletzung.
Was das Urteil klärt – und was nicht
Geklärt ist:
- Die Manipulation von RAM-Daten ist urheberrechtlich zulässig, solange der Code unangetastet bleibt.
- Der Schutzbereich des Softwareurheberrechts ist auf den Code und dessen Kopien beschränkt – nicht auf dynamische RAM-Daten.
Offen bleibt:
- Das Urteil schließt nicht aus, dass andere Arten von Cheat-Software das Urheberrecht verletzen können.
- Tools, die den Programmcode verändern, technische Schutzmaßnahmen umgehen oder unautorisierte Kopien erstellen, können weiterhin rechtswidrig sein.
- Andere rechtliche Ansätze bleiben unberührt – insbesondere Vertragsrecht (z. B. EULA-Verstöße), Wettbewerbsrecht (z. B. unlautere Behinderung) oder Verbraucherschutzrecht (z. B. irreführende Werbung).
Praktische Auswirkungen
Für Spielehersteller:
- Das Urheberrecht allein reicht nicht mehr aus, um Cheat-Software zu verhindern.
- Erforderlich sind:
- Technische Schutzmaßnahmen (TPMs) wie Anti-Cheat-Systeme.
- Durchsetzung von EULAs mit klaren Nutzungsbeschränkungen.
- Alternative rechtliche Ansätze, z. B. über Wettbewerbs- oder Verbraucherschutzrecht.
Für Entwickler von Cheat-Software:
- Das Urteil schafft mehr Rechtssicherheit, aber keinen Freifahrtschein.
- Entscheidend ist, dass der Code nicht verändert und keine TPMs umgangen werden.
Für die Softwarebranche insgesamt:
- Das Urteil könnte auch für Modding-Tools, Debugging-Software oder Interoperabilitätslösungen relevant sein.
- Es stärkt eine enge Auslegung des Softwareurheberrechts und könnte Innovationen im Zubehörmarkt fördern.
Abschließende Beobachtungen
Mit dem Urteil im Fall Sony gegen Datel hat der BGH – geleitet durch die Auslegung des EuGH – erstmals höchstrichterlich klargestellt, dass Cheat-Software, die lediglich RAM-Daten verändert, nicht gegen das Urheberrecht verstößt. Dies schafft Rechtssicherheit und sendet ein Signal, das über die Gaming-Branche hinaus relevant ist.
Für Publisher ist die Botschaft klar: Wer Cheats verhindern will, muss dies technisch tun – das Urheberrecht allein genügt nicht.
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