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Deutschland | Publikation | Oktober 2025
Seit Februar 2022 haben die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und andere Länder weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt, wodurch Russland zum weltweit am stärksten sanktionierten Land wurde. Ziel dieser Maßnahmen ist es, wirtschaftlichen und politischen Druck auf die russische Regierung auszuüben.
Im Falle eines dauerhaften Waffenstillstands in der Ukraine erwägt die US-Regierung Berichten zufolge derzeit eine Lockerung bestimmter Sanktionen – insbesondere solcher, die sich gegen russische Oligarchen und Finanzinstitute richten – unabhängig davon, ob ein umfassendes Friedensabkommen vorliegt.
Im Gegensatz dazu gibt es auf EU-Ebene – abgesehen von einzelnen durch Gerichtsentscheidungen aufgehobenen Sanktionen – keine Hinweise auf eine umfassendere Lockerung oder Aufhebung der Sanktionen im Falle eines Waffenstillstands. Vielmehr wurde am 19. Juli 2025 das 18. Sanktionspaket verabschiedet, und ein 19. Paket befindet sich bereits in Vorbereitung.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie würden neue Investitionen in Russland im Falle einer Lockerung der US-Sanktionen unter dem EU-Sanktionsrecht behandelt werden?
Auch wenn US-Sanktionen aufgehoben oder gelockert würden, blieben die EU-Sanktionen vollständig anwendbar.
Geltungsbereich
Die EU-Sanktionen gelten grundsätzlich im Gebiet der Europäischen Union, einschließlich ihres Luftraums. Sie gelten auch an Bord von Flugzeugen oder Schiffen, die der Hoheitsgewalt eines EU-Mitgliedstaates unterliegen. Darüber hinaus erstrecken sie sich auf jede natürliche Person – unabhängig vom Aufenthaltsort –, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. Juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates gegründet wurden, unterliegen ebenfalls den Sanktionen – unabhängig davon, wo sie tätig sind. Schließlich fallen auch alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen unter die EU-Sanktionen, die ganz oder teilweise innerhalb der EU Geschäfte tätigen1.
Besteht ein EU-Bezug (EU nexus), müssen alle laufenden Aktivitäten oder neuen Investitionen in Russland den EU-Vorgaben entsprechen.
Beteiligung von EU-Personen
Ein EU-Bezug liegt vor, wenn eine EU-Bürgerin oder ein EU-Bürger, eine in der EU ansässige Person oder ein EU-Unternehmen beteiligt ist. In solchen Fällen muss die Projektplanung eine Abschirmung (ringfencing) der EU-Personen vorsehen – also deren Ausschluss von allen Handlungen, die mit sanktionierten Tätigkeiten in Verbindung stehen können. Dazu zählen etwa Verhandlungen, Organisation, Unterstützung, Anweisungen, Genehmigungen, Empfehlungen oder die Weiterleitung von Geschäftsmöglichkeiten.
Selbst wenn eine Abschirmung möglich ist und kein weiterer EU-Bezug besteht, verlangen multinationale Banken und andere Drittstaatenakteure häufig dennoch eine vollständige Einhaltung der EU-Sanktionen. Zwar sieht das EU-Recht keine sekundären Sanktionen wie das US-Recht vor, doch halten sich viele Institutionen freiwillig an die EU-Vorgaben und lehnen die Beteiligung an nicht konformen Geschäften ab.
Vermögenssperren und Transaktionsverbote
Während umfassende Investitionsverbote nur für bestimmte Sektoren gelten (z. B. Energie, Bergbau, Rohstoffgewinnung), verbieten die EU-Sanktionen direkte und indirekte Geschäfte mit sanktionierten Personen, Einrichtungen und Organisationen. Derzeit fallen fast 2.000 natürliche Personen und über 600 juristische Personen, Einrichtungen und Organisationen unter diese Beschränkungen. Darüber hinaus unterliegen viele große russische Unternehmen und Banken Transaktionsverboten, was faktisch Geschäftsbeziehungen mit staatlichen russischen Unternehmen und Finanzinstituten ausschließt.
Aufgrund der intransparenten Eigentums- und Kontrollstrukturen russischer Unternehmen sowie der begrenzten Verfügbarkeit verlässlicher Informationen ist es oft schwierig festzustellen, ob ein potenzieller Geschäftspartner von einer sanktionierten Partei kontrolliert wird oder nicht. Eine umfassende KYC-Prüfung gemäß den EU-Vorgaben ist daher unerlässlich. In vielen Fällen verbleiben jedoch erhebliche Unsicherheiten, die eine risikobasierte Entscheidung über die Fortführung des Geschäfts erforderlich macht.
Kontrollierte Güter und Dienstleistungen
Auch wenn ein Projekt nicht gegen Vermögenssperren oder Transaktionsverbote verstößt, können zusätzliche Beschränkungen gelten. Besonders relevant sind EU-Ausfuhrverbote für Dual-Use-Güter oder Produkte mit militärischem oder technologischen Nutzen. Es bestehen auch EU-Einfuhrverbote für Güter, die Russland erhebliche Einnahmen verschaffen. Darüber hinaus verbieten die EU-Sanktionen die Bereitstellung von Software und Geschäftsdienstleistungen für russische Unternehmen.
Diese Beschränkungen gelten auch für die Tätigkeit russischer Tochtergesellschaften, die selber nicht in den Anwendungsbereich der EU-Sanktionen fallen. EU-Unternehmen sind nämlich verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Nicht-EU-Tochtergesellschaften die EU-Sanktionen nicht unterlaufen. Ein Verstoß kann zu einer Haftung der EU-Muttergesellschaft führen.
Viele der von den EU-Ausfuhrbeschränkungen betroffenen Güter und Dienstleistungen sind auf dem russischen Markt nicht verfügbar. Vor einer Ausweitung der Geschäftstätigkeit oder Investition in Russland nach einer möglichen Lockerung der US-Sanktionen muss daher auch geprüft werden, ob das Projekt ohne kontrollierte Güter oder Dienstleistungen aus der EU überhaupt durchgeführt werden kann.
Selbst wenn die Hürden durch EU- und andere Sanktionen überwunden werden, müssen russische Gegenmaßnahmen berücksichtigt werden. Anders als die USA oder die EU führt Russland keine umfassenden Listen sanktionierter Personen oder kontrollierter Güter. Stattdessen zielen die Gegenmaßnahmen darauf ab, die Umsetzung der westlichen Sanktionen in Russland zu erschweren und die wirtschaftlichen Auswirkungen im Inland abzumildern.
Zu diesem Zweck unterscheidet das Föderale Gesetz Nr. 127-FZ „Über Maßnahmen (Gegenmaßnahmen) als Reaktion auf unfreundliche Handlungen der Vereinigten Staaten [...]“ vom 4. Juni 2018 zwischen „freundlichen“ und „unfreundlichen“ Staaten. Letztere umfassen die USA, alle EU-Mitgliedstaaten und andere sanktionierende Länder. Seit 2022 sind Unternehmen aus diesen Staaten zunehmenden Beschränkungen ausgesetzt, was wirtschaftliche Aktivitäten in Russland erheblich erschwert.
Es besteht zudem ein Enteignungsrisiko. Vermögenswerte von Unternehmen aus „unfreundlichen“ Staaten können gemäß Präsidialdekret Nr. 302 vom 25. April 2023 unter externe Verwaltung gestellt werden, wodurch Eigentümer unter Druck geraten, ihre Anteile unter Marktwert an staatlich genehmigte Käufer zu veräußern.
Sollten die US-Sanktionen gelockert werden, könnte die USA von der Liste „unfreundlicher“ Staaten genommen werden, wodurch die Beschränkungen für US-Unternehmen aufgehoben würden. EU-Unternehmen wären jedoch weiterhin von diesen Gegenmaßnahmen betroffen. Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung möglicher Enteignungsrisiken und des Schutzes durch bilaterale Investitionsabkommen ist daher unerlässlich.
Selbst bei einer Lockerung oder Aufhebung der US-Sanktionen bleibt Russland für EU-Unternehmen ein stark regulierter und risikobehafteter Markt. Besteht ein EU-Bezug, sind neue Investitionen nur unter strikter Einhaltung der EU-Vorgaben möglich. Eine strategische Überprüfung der Projektstruktur – insbesondere zur Vermeidung eines EU-Bezugs – ist unverzichtbar.
Zentrale Fragen, die hier zu klären wären, sind:
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Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben westliche Staaten umfassende Sanktionen gegen Russland verhängt, wobei die EU ihr Sanktionsregime konsequent fortsetzt.
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Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Rechtssache Sony v. Datel (BGH, 31.07.2025 – I ZR 157/21, Action Replay II) (das „Urteil”) klärt eine bislang umstrittene Frage: Wann stellt die Manipulation von RAM-Daten eine urheberrechtsrelevante Bearbeitung von Software dar?
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