Änderung der Außenwirtschaftsverordnung – Mögliche Auswirkung für Boykotterklärungsverbote und Investitionskontrollen

Publikation Januar 2019

Die Bundesregierung hat am 19.12.2018 zwei Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) verabschiedet und hierbei insbesondere die Möglichkeit der Kontrolle von ausländischen Investitionen deutlich erweitert. Zudem wurde das nach deutschem Recht bestehende Boykotterklärungsverbot eingeschränkt. Die Änderungen sind zum 29.12.2018 in Kraft getreten.

1. Investitionskontrollen

Durch die Gesetzesänderung im Bereich der Investitionskontrollen sollen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Bereich der sicherheitsrelevanten Beteiligung durch ausländische Investoren größere Prüfungsmöglichkeiten eingeräumt werden, da diese nunmehr bereits ab einer Beteiligungsschwelle von 10% statt bisher 25% gelten.

a. Bisherige Rechtslage

Im Jahr 2017 wurde die AWV in Bezug auf die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland deutlich verschärft. Gemäß §§ 55 ff AWV ist es dem BMWi seitdem möglich, zur Vermeidung von Sicherheitsgefahren den Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Käufer im Einzelfall zu überprüfen. Im Regelfall findet hierbei das so genannte sektorübergreifende Investitionsprüfverfahren Anwendung (§§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 5 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz, §§ 55 bis 59 AWV). Es gilt prinzipiell für alle Branchen, unabhängig von der Größe der am Erwerb beteiligten Unternehmen. Abweichende Sonderregeln gelten für den Erwerb bestimmter Rüstungs- bzw. IT-Sicherheitsunternehmen (sogenannte sektorspezifische Investitionsprüfung, §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 3 AWG, §§ 60 bis 62 AWV).

  • Nach bisher geltender Rechtslage konnten im Rahmen der sektorübergreifenden Investitionsprüfung alle Unternehmenskäufe geprüft werden, durch die Investoren mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EFTA-Raums mindestens 25% der Stimmrechte an einem in Deutschland ansässigen Unternehmen erlangten. War oder ist der unmittelbare Erwerber unionsansässig, kam und kommt es auch nach aktueller Rechtslage darauf an, ob Anzeichen für eine missbräuchliche Gestaltung oder ein Umgehungsgeschäft vorliegen (§ 55 Abs. 2 AWV).
  • Im Rahmen der sektorspezifischen Investitionsprüfung konnte jeder Unternehmenskauf geprüft werden, durch den ausländische Investoren mindestens 25% der Stimmrechte an einem in Deutschland ansässigen Unternehmen erlangten. Der Prüfungsmaßstab hier war, ob der konkrete Erwerb wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Dabei waren das einschlägige EU-Recht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit zu berücksichtigen. Die besonderen sektorspezifischen Investitionsprüfungsregeln galten und gelten für den Erwerb von Unternehmen, die in besonders sicherheitssensiblen Bereichen tätig sind. Dazu zählen insbesondere Hersteller oder Entwickler von Kriegswaffen und anderen militärischen Schlüsseltechnologien, von besonders konstruierten Motoren oder Getrieben für gepanzerte militärische Kettenfahrzeuge und von Produkten mit IT-Sicherheitsfunktionen, die für die Verarbeitung staatlicher Verschlusssachen genutzt werden. Entsprechende Sonderreglungen gelten auch für den Erwerb eines Unternehmens, das ein hochwertiges Erdfernerkundungssystem betreibt (§ 10 Satellitendatensicherheitsgesetz, SatDSiG).

b. Neue Rechtslage

Durch die Gesetzesänderung wurde der Schwellenwert für ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen und Unternehmen, die aufgrund ihrer besonderen Sicherheitsrelevanz der sektorspezifischen Investitionskontrolle unterliegen, nun von 25% auf 10% der Stimmrechte abgesenkt. Das bedeutet, dass sobald ein ausländischer Investor durch einen Anteilserwerb 10% der Stimmrechte an Unternehmen im Bereich kritischer Infrastrukturen erreicht oder überschreitet, besteht für diesen Erwerbsvorgang eine Meldepflicht gegenüber dem BMWi. Bei Unternehmenskäufen auf dem Gebiet der sektorspezifischen Investitionskontrolle besteht bei einem Erwerb von 10% oder mehr der Stimmrechte sogar die Notwendigkeit, eine Freigabe durch das BMWi einzuholen. Das Prüfungsrecht des BMWi weitet sich dadurch erheblich aus.

c. Weitere Änderungen

Mit der Verordnungsänderung wurde außerdem ein weiterer Bereich als sicherheitsrelevant in die AWV aufgenommen: Zukünftig werden auch Unternehmen der Medienwirtschaft als sicherheitsrelevant eingestuft. Nach der Verordnungsbegründung soll dadurch die Nutzung von deutschen Medienorganen durch ausländische Investoren für Desinformationen verhindert werden.

d. Fazit für den Bereich der Investitionskontrollen

Im Bereich der kritischen Infrastrukturen und der sektorspezifischen Investitionskontrolle dürfte sich die Senkung des Schwellenwerts erheblich auf die M&A-Praxis auswirken, da ausländische Investitionen nun bereits bei einer wesentlich geringeren Schwelle melde- bzw. (im Rahmen der sektorspezifischen Kontrolle) freigabepflichtig sind und der Prüfungsbefugnis des BMWi unterliegen.

Ferner erscheint die in § 55 Abs. 1 Nr. 6 AWV aufgenommene Definition von „Unternehmen der Medienwirtschaft“ sehr weit gefasst, was einerseits eine erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich bringen dürfte, anderseits dem BMWi bei der Feststellung, ob eine kritische Infrastruktur vorliegt, einen weiten Einschätzungs- und Zugriffsspielraum ermöglicht.

2. Boykotterklärungsverbote

Die zweite Änderung wurde im Bereich der Boykotterklärungsverbote nach § 7 AWV vorgenommen. Die Norm wurde durch eine Ergänzung in ihrem Anwendungsbereich – zumindest vordergründig – eingeschränkt.

a. Bisherige Rechtslage

Nach bisheriger Rechtslage regelte § 7 AWV, dass „die Abgabe einer Erklärung im Außenwirtschaftsverkehr, durch die sich ein Inländer an einem Boykott gegen einen anderen Staat beteiligt (Boykott-Erklärung), verboten ist“. Verstöße gegen diese Norm können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu € 500.000 geahndet werden.

§ 7 AWV wurde (ursprünglich als § 4a AWV a.F.) vor dem Hintergrund des Handelsembargos gegen den Staat Israel, in dessen Rahmen die arabischen Staaten von ihren Vertragspartnern verlangten, keine Geschäfte mit Israel zu tätigen, erlassen. Problematisch an der Norm ist insbesondere, dass der Begriff des Boykotts nicht näher definiert ist und daher in der Praxis oftmals nicht klar ist, welche Art von Erklärungen tatsächlich vom Verbot des § 7 AWV erfasst sind. Das Problem tauchte in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit den sich immer weiter ausdehnenden US-Sanktionen auf, die oftmals wesentlich weiter gehen, als vergleichbare Sanktionen der EU. Dies ist insbesondere in den Fällen der US-Sanktionen gegen Kuba oder den Iran der Fall.

b. Neue Rechtslage

Mit der Gesetzesänderung wurde § 7 AWV nun um einen Satz 2 erweitert, der folgendes regelt:

„Satz 1 gilt nicht für eine Erklärung, die abgegeben wird, um den Anforderungen einer wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahme eines Staates gegen einen anderen Staat zu genügen, gegen den auch

  1. der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,
  2. der Rat der Europäischen Union im Rahmen des Kapitels 2 des Vertrags über die Europäische Union oder
  3. die Bundesrepublik Deutschland

wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen beschlossen haben.“

Ziel dieser Einschränkung ist es nun, angesichts einer stetig wachsenden Komplexität der weltweit verhängten Sanktionen auch die praktische Handhabe des Verbots von Boykotterklärungen für in Deutschland tätige Unternehmen zu erleichtern. Das bei der Gesetzesänderung federführende BMWi hat in der Verordnungsbegründung zudem angeführt, dass es auf einen politischen Gleichklang zwischen den in Deutschland geltenden Sanktionen und den ausländischen Sanktionen, wie etwa vergleichbare außenpolitische Gründe für die Verhängung, nicht ankomme. Ebenso wenig müsse es eine inhaltliche Schnittmenge geben, beispielsweise in dem Sinne, dass jeweils sektorale Beschränkungen erlassen wurden, dieselben Wirtschaftssektoren erfasst oder identische Personen gelistet sind. Zu beachten ist allerdings, dass nach der Begründung des BMWi in den Fällen, in denen sich die Sanktionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland nicht gegen einen anderen Staat als solchen richten, sondern angesichts der Lage in einem bestimmten Staat ausschließlich gegen bestimmte gelistete Personen oder Einrichtungen verhängt worden sind, diese Listungen keine wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen gegen einen anderen Staat im Sinne von § 7 Satz 2 AWV darstellen und das Verbot von Boykotterklärungen in diesen Fällen anwendbar bleibe. Ebenso bleibe das Verbot weiter in Bezug auf all diejenigen Staaten anwendbar, gegen die keine Sanktionen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland existieren.

Im Zusammenhang mit der jüngsten Verschärfung der US-Sanktionen gegen den Iran und der Reaktion der EU hierauf durch Ausdehnung der „EU-Blocking-Verordnung“ (Delegierten Verordnung (EU) 2018/1100 der Kommission vom 6. Juni 2018 zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen, EU-Blocking-Verordnung) stellt das BMWi klar, dass die Änderung des § 7 AWV hierauf keine Auswirkung habe. Vielmehr werde durch die Ausdehnung der EU-Blocking-Verordnung § 7 AWV künftig nicht mehr als „Symbol“ gegen US-Sanktionen benötigt und es entfalle die Notwendigkeit, deutsche Unternehmen zusätzlichen Restriktionen zu unterwerfen.

c. Fazit für den Bereich der Boykotterklärungsverbote

Auch wenn die Einschränkung des § 7 AWV durchaus zu begrüßen ist, scheint die praktische Bedeutung der Änderung überschaubar zu sein. Einerseits wurden etwaige Verstöße gegen § 7 AWV in der Vergangenheit von den Behörden ohnehin sehr restriktiv verfolgt, da man sich behördenseitig dem „Dilemma“, dem deutsche Unternehmen teilweise ausgesetzt waren, durchaus bewusst war. Andererseits löst die Gesetzesänderung keineswegs alle Fälle aus der Praxis auf, in denen es zum Konflikt zwischen deutschem Boykotterklärungsverbot und (insbesondere) US-Sanktionen kommen kann. Daher werden deutsche Unternehmen auch weiterhin im Einzelfall prüfen müssen, ob § 7 AWV insbesondere bei Erklärungen, sich an US-Sanktionen zu halten, relevant werden kann und ob sie insoweit vor allem auf vertragliche „Carve-Out-Regelungen“ zurückgreifen sollten.



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