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Die Kunst des Streitens
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Deutschland | Publikation | Oktober 2025
Als exklusiver Lizenznehmer für ganz Europa vertreibt die Klägerin Spielkonsolen und dafür entwickelte Computerspiele. Die Beklagte entwickelt und vertreibt sogenannte „Cheat-Tools”, darunter „Action Replay PSP” und „Tilt FX”, die das Verhalten von Computerspielen auf der Spielkonsole „PlayStation Portable” verändern. Insbesondere greifen diese Tools in den Random Access Memory (RAM) ein, den temporären Arbeitsspeicher eines Computers oder einer Spielkonsole, in dem Daten während der Programmausführung gespeichert und abgerufen werden, um beispielsweise Spielstände zu manipulieren oder Spielcharaktere zu verändern. Die Klägerin machte geltend, dass dies ihre Rechte an der Spielesoftware verletze, und beantragte eine einstweilige Verfügung.
Die rechtliche Beurteilung konzentriert sich auf § 69c Nr. 2 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG), der die Bearbeitung und Veränderung von Computerprogrammen regelt. Die Bestimmung basiert auf Art. 4 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2009/24/EG (EU-Software-Richtlinie) und schützt den Rechteinhaber vor unbefugten Änderungen an der Struktur oder Funktionalität eines Programms.
Die zentrale rechtliche Frage war, ob die Manipulation von RAM-Daten durch Cheat-Tools eine „Bearbeitung” oder „Veränderung” des Programms im Sinne des Urheberrechts darstellt. Die Antwort auf diese Frage entscheidet darüber, ob solche Eingriffe in den Bereich der ausschließlichen Rechte fallen, die dem Softwareurheber sowohl nach nationalem als auch nach EU-Recht zustehen.
Der BGH stellte klar, dass die gezielte Manipulation von Daten im RAM während der Programmausführung – wie beispielsweise das Aktivieren von Cheats – nicht als Anpassung des Programms im Sinne des Urheberrechts zu betrachten ist. Entscheidendes Kriterium ist, ob der Programmcode selbst verändert wird. Die bloße Veränderung von Daten im Arbeitsspeicher hat keinen Einfluss auf den urheberrechtlich geschützten Code.
Das Urteil steht im Einklang mit der Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der in seinem Vorabentscheidungsurteil vom 17.10.2024 (Rechtssache C-159/23) betont hat, dass sich der Schutzumfang der EU-Software-Richtlinie nicht auf dynamische Daten im Arbeitsspeicher erstreckt, sofern eine solche Manipulation nicht zur Vervielfältigung oder Wiederherstellung des Programms führt.
Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Auswirkungen sowohl für Anbieter von Cheat-Tools als auch für die Modding-Community, also die Nutzer, die Spiele durch selbst erstellte Erweiterungen modifizieren. Mods werden zwar oft als kreative Verbesserungen angesehen, können aber je nach Umfang und Art des Eingriffs als Bearbeitungen im Sinne des Urheberrechts gelten. Das Urteil hilft, die Grenze zwischen rechtmäßiger Interoperabilität und unrechtmäßiger Manipulation zu ziehen.
Für Hersteller bedeutet das Urteil keine allgemeine Stärkung ihrer Kontrollrechte über RAM-Manipulationen. Stattdessen müssen sie nun zwischen Handlungen unterscheiden, die den eigentlichen Programmcode verändern, und solchen, die lediglich vorübergehende Daten im Arbeitsspeicher betreffen, die nicht unter den Schutz des Urheberrechts fallen.
Für Entwickler von Einzelspieler-Spielen können andere Rechtsinstrumente weiterhin Schutz bieten. So könnte beispielsweise der Vertrieb oder die Verwendung von Cheat-Software einen Akt des unlauteren Wettbewerbs darstellen. Darüber hinaus kann es rechtlich zulässig sein, in Endbenutzer-Lizenzverträgen (EULAs) durchsetzbare Klauseln aufzunehmen, die die Verwendung solcher Software verbieten.
Im Gegensatz dazu sind die rechtlichen Unsicherheiten für Publisher von Multiplayer-Spielen möglicherweise geringer. Zahlreiche Gerichte haben durchweg festgestellt, dass Cheats für Online-Multiplayer-Spiele rechtswidrig sind. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der in den Vereinigten Staaten verhandelte Fall Bungie v. AimJunkies, in dem das Gericht gegen die Cheat-Entwickler entschied. Es gibt keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass Gerichte in der Europäischen Union zu einem anderen Ergebnis gekommen wären. Dies wird durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.01.2017 (Az. I ZR 253/14 – World of Warcraft II) bestätigt, wonach die Verwendung von Bot-Software sowohl einen Verstoß gegen Vertragsbedingungen als auch einen Akt des unlauteren Wettbewerbs darstellen kann.
Darüber hinaus spiegelt die Entscheidung des BGH einen übergreifenden europäischen Trend zu einer differenzierteren Abgrenzung des Umfangs des Urheberrechtsschutzes für Software wider. Wie vom EuGH klargestellt, gilt der Urheberrechtsschutz für Computerprogramme ausschließlich für deren Ausdrucksformen, nämlich den Quell- und Objektcode. Funktionale Manipulationen von RAM-Daten während der Programmausführung fallen, sofern sie nicht zur Vervielfältigung oder Wiederherstellung des Programms führen, nicht unter den Schutzbereich der Richtlinie.
Diese Auslegung bekräftigt die grundlegende Unterscheidung zwischen geschützten Ausdrucksformen (Code) und ungeschützten Elementen wie Ideen, Prinzipien und dynamischen Daten, die von einem Programm in Echtzeit verarbeitet werden. Sie steht im Einklang mit den beiden Zielen der Richtlinie: Schutz der Urheber vor unbefugtem Kopieren bei gleichzeitiger Gewährleistung von Interoperabilität und unabhängiger Entwicklung.
Dennoch besteht weiterhin Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs des Schutzes, wenn Nutzer Programme modifizieren, um neue Funktionen einzuführen oder bestehende zu verbessern. Die richtige Balance zwischen Urheberrechtsschutz und technologischer Innovation zu finden, bleibt eine Herausforderung – insbesondere im Gaming-Sektor, wo die Erwartungen der Nutzer und die Interessen der Entwickler oft kollidieren.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass Cheat-Software, die RAM-Daten manipuliert, keine urheberrechtsrelevante Bearbeitung darstellt, sofern sie nicht den geschützten Programmcode verändert. Gemäß § 69c UrhG fallen nur Änderungen am Code in den Schutzbereich; vorübergehende Datenänderungen bleiben ausgeschlossen. Für Spielehersteller ist diese Unterscheidung von entscheidender Bedeutung: Sie schränkt den Geltungsbereich des Urheberrechts ein und unterstreicht die Notwendigkeit vertraglicher und technischer Maßnahmen zum Schutz der Spielintegrität. Das Urteil bietet praktische Orientierungshilfen für die Bewertung von Cheat-Tools und benutzergenerierten Modifikationen und unterstützt Hersteller dabei, die Balance zwischen Nutzerkreativität und IP-Durchsetzung zu finden.
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Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben westliche Staaten umfassende Sanktionen gegen Russland verhängt, wobei die EU ihr Sanktionsregime konsequent fortsetzt.
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Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Rechtssache Sony v. Datel (BGH, 31.07.2025 – I ZR 157/21, Action Replay II) (das „Urteil”) klärt eine bislang umstrittene Frage: Wann stellt die Manipulation von RAM-Daten eine urheberrechtsrelevante Bearbeitung von Software dar?
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