Publikation
Distress signals: Cooperation agreements or mergers to the rescue?
The current volatile and unpredictable economic climate creates challenges for businesses.
Publikation | Juni 2018
nach Abschluss einer langen Sondierungs- und Konsolidierungsphase der Parteien zur Bildung einer Regierungskoalition stehen nun wieder Gesetzesvorhaben und die Umsetzung angekündigter Reformen im Fokus. Nicht nur der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD enthält erneut eine Reihe arbeitsrechtlicher Vorhaben, auch auf europarechtlicher Ebene sind Neuerungen im Bereich des Arbeitsrechts zu verzeichnen.
Vor diesem Hintergrund befassen wir uns in dieser Ausgabe neben wichtigen Urteilen auch mit der kürzlich beschlossenen Reform der Entsenderichtlinie, die in erster Linie auf ein „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ abzielt. Nach wie vor relevant für Unternehmen sind die im Mai in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung und das neue Bundesdatenschutzgesetz. Wir haben insbesondere die umfassenden Informationspflichten des Arbeitgebers zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten für Sie aufbereitet. Ein drittes Schwerpunktthema widmen wir der geplanten Reform zu Befristungsmöglichkeiten und dem Gesetzesentwurf zur Brückenteilzeit mit dem geplanten befristeten Teilzeitanspruch.
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Viel Freude und Information beim Lesen!
Ihr Arbeitsrechtsteam von
Norton Rose Fulbright
Das Europäische Parlament hat am 29.5.2018 die überarbeitete Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern von 1996 beschlossen.
Die Europäische Kommission hatte die Überarbeitung der Entsenderichtlinie 2016 in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen, um die Richtlinie von 1996 den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Angesichts des Wachstums des Binnenmarktes und des Anstieges von Einkommensunterschieden wurde der Rechtsrahmen von 1996 den neuen Wirtschafts- und Arbeitsmarktbedingungen nach Auffassung der Kommission nicht mehr in vollem Umfang gerecht. Das Europäische Parlament hat der mit der Kommission ausgehandelten Kompromissfassung nun die Zustimmung erteilt.
Primäres Ziel der Reform ist die Gewährleistung gerechter Entlohnungs- und gleicher Wettbewerbsbedingungen für entsendende sowie lokale Unternehmen mit entsandten Mitarbeitern. Neben der Erleichterung der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen soll die Richtlinie die Wahrung der Rechte von Arbeitnehmern, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind und von ihrem Arbeitgeber vorübergehend zur Arbeit in einen anderen Mitgliedstaat geschickt werden, sicherstellen. Kernpunkt der Überarbeitung ist daher der Grundsatz gleichen Entgelts für gleiche Arbeit am gleichen Ort sowie ein höheres Maß an Rechtssicherheit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Bisher waren entsendende Unternehmen nur an die Mindestlohnsätze des Aufnahmemitgliedsstaates gebunden, was Einkommensunterschiede zwischen entsandten und lokalen Arbeitnehmern insbesondere in Mitgliedstaaten mit hohen Arbeitsentgelten nach sich zog. Demgegenüber sieht die Richtlinie in ihrer neuen Fassung eine Lohngleichheit vom ersten Tag der Entsendung an vor. Auf entsandte Arbeitnehmer finden dieselben Regeln Anwendung wie auf ihre einheimischen Kollegen.
Durch die Einführung des Begriffes der „langfristigen Entsendung“ gelten Arbeitnehmer ab 12 Monaten als langfristig entsandt und unterliegen ab diesem Zeitpunkt in fast jeder Hinsicht dem Arbeitsrecht des Gastlandes. Zudem müssen Leiharbeitsunternehmen ihren entsandten Arbeitnehmern die gleichen Konditionen, die für Leiharbeitnehmer im Zielmitgliedstaat gelten, garantieren. Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sollten Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten nicht vom Lohn abgezogen, sondern vom Arbeitgeber getragen werden. Neben den gesetzlichen Bestimmungen können nun auch Tarifverträge auf entsandte Arbeitnehmer in allen Sektoren und Branchen angewandt werden.
Die Richtlinie muss von den Mitgliedstaaten spätestens zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten umgesetzt und angewandt werden.
Seit dem 25.05.2018 ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) anwendbar und das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG n.F.) in Kraft. Datenverarbeitende Unternehmen haben neben den Anforderungen für die materielle Zulässigkeit der Datenverarbeitung nun auch diverse formale Maßgaben zu erfüllen, deren Nichtbeachtung mit erhöhten Bußgeldern geahndet werden kann. Als anerkannte Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bleibt die datenschutzrechtliche Einwilligung zwar auch künftig bestehen, die Anforderungen an die Wirksamkeit von Einwilligungen im Beschäftigungsverhältnis wurden jedoch weiter konkretisiert. Zudem treffen Unternehmen weitreichende Informationspflichten hinsichtlich der Datenverarbeitung.
Nach dem weiterhin einschlägigen Regelungsprinzips des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalts“ ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur auf Grundlage eines gesetzlichen Erlaubnistatbestandes oder einer Einwilligung des Betroffenen zulässig. § 26 Abs. 2 BDSG n.F. stellt nun klar, dass eine Einwilligung auch im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses wirksam erteilt werden kann. Gleichwohl ist bei dem Gebrauch von Einwilligungen im Beschäftigtenverhältnis Vorsicht geboten. Konkretisierte Maßgaben für eine wirksame Einwilligung ergeben sich sowohl aus der DSGVO als auch aus dem BDSG n.F.
Zunächst ist die Einwilligung zweckbezogen, sodass sie sich auf alle zu demselben Zweck oder denselben Zwecken vorgenommenen Verarbeitungsvorgänge beziehen sollte. Der Zweck ist daher jeweils genau festzulegen. Dient eine Datenverarbeitung mehreren Zwecken, muss jeweils für alle Verarbeitungszwecke eingewilligt werden. Sollen Daten zu einem anderen als dem ursprünglichen Erhebungszweck verarbeitet werden, sind die Betroffenen über diese Zweckänderung zu informieren.
Laut der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 11 DSGVO muss eine Einwilligung insbesondere freiwillig und durch eine eindeutige Erklärung erfolgen. § 26 Abs. 2 Satz 1 BDSG n.F. definiert zwar Kriterien für die Beurteilung der Freiwilligkeit, die Abgrenzung zwischen freiwilligen und erzwungenen Einwilligungen im Beschäftigungsverhältnis wird aber trotzdem schwierig bleiben. Die Einwilligung bedarf daher einer genauen, einzelfallbasierten Prüfung des Kriteriums der Freiwilligkeit unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Einwilligung erteilt wurde, sowie der im Beschäftigtenverhältnis mitunter bestehenden Abhängigkeit des Beschäftigten.
Insbesondere kann Freiwilligkeit nach der neuen Regelung dann vorliegen, wenn für den Beschäftigten ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil erlangt wird oder wenn Beschäftigter und Arbeitgeber gleich gelagerte Interessen verfolgen. Die Frage, wie mittelbar dieser Vorteil sein darf, bedarf dabei noch der Klärung. Ein weiteres Element der Freiwilligkeit ist das Koppelungsverbot. Danach muss bei der Beurteilung der Freiwilligkeit einer Einwilligung „in größtmöglichem Umfang“ (vgl. Art. 7 Abs. 4 DSGVO) berücksichtigt werden, ob die Erfüllung eines Vertrags oder die Erbringungen von Diensten von der Erteilung einer Einwilligung abhängig gemacht wird, obwohl dies für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich ist. Seitens der Unternehmen ist daher sorgfältig zu prüfen, welche Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung de facto nötig ist.
Die von einem Arbeitnehmer erteilte Einwilligung ist dabei jederzeit widerruflich. Unklar ist, ob angesichts dieser nun klaren gesetzlichen Regelung das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung aufrechterhält, wonach ein solcher Widerruf in bestimmten Fällen oder Zeitpunkten treuwidrig und rechtsmissbräuchlich sein kann.
Weitere Anforderungen an eine wirksame Einwilligung dienen insbesondere der Transparenz für die betroffenen Personen. Grundsätzlich bedarf die Einwilligung der Schriftform, soweit aufgrund besonderer Umstände nicht eine andere Form angemessen ist. In der betrieblichen Praxis ist regelmäßig die elektronische Form oder Textform angemessen, da z.B. Bewerbungen meist elektronisch erfolgen. Die Einwilligung sollte in klarer und einfacher Sprache abgefasst sein, was gerade bei komplexen Bearbeitungsvorgängen oft nur schwer mit der erforderlichen „präzisen Form“ in Einklang zu bringen ist.
Unter Praktikern umstritten ist derzeit die Frage, ob unter den oben genannten neuen Anforderungen eine mehr oder weniger allgemein gehaltene Einwilligungserklärung im Arbeitsvertrag oder in einer Anlage zum Arbeitsvertrag überhaupt sinnvoll und anzuraten ist. Aus unserer Sicht sollte hierauf eher verzichtet werden. Die üblichen Verarbeitungsvorgänge sind durch die gesetzlichen Erlaubnistatbestände ohnehin erfasst, so dass es einer Einwilligung nur in ganz besonderen Situationen (z.B. Fotoaufnahmen für eine Imagebroschüre) bedarf.
Da wie bisher eindeutig zwischen dem Ersuchen um Einwilligung und „anderen Sachverhalten“ zu differenzieren ist, sollte eine solche Einwilligung aber jedenfalls als eigenständige, drucktechnisch abgesetzte Regelung im Arbeitsvertrag oder als gesonderte Erklärung, d.h. als Anlage zum Arbeitsvertrag vom Betroffenen unterzeichnet werden. Es würde sich dann die Verbindung von Einwilligung und datenschutzrechtlicher Information empfehlen, sodass im Falle eines Vertragsschlusses eine informierte Einwilligung als gesonderte Anlage in Form eines „arbeitsrechtlichen Beipackzettels“ zum Vertrag mitgereicht wird.
Unternehmen sind zudem zur transparenten und detaillierten Information der Betroffenen über den Umgang mit personenbezogenen Daten nach Art. 12 ff. DSGVO verpflichtet. Hierbei gilt die Vorgabe einer „präzisen, verständlichen Form in klarer und einfacher Sprache“. Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 DSGVO soll die Information in „schriftlicher oder in anderer Form, ggf. auch elektronisch“ erfolgen. Grundsätzlich differenziert die DSGVO zwischen Informationspflichten bei der Direkterhebung personenbezogener Daten (Art. 13 DSGVO) und solchen bei der Dritterhebung aus anderen Quellen (Art. 14 DSGVO). Im Hinblick auf die Strukturierung der Information empfiehlt sich eine inhaltliche Kategorisierung der gesetzlich vorgesehenen Mindestinhalte. Die Informationspflichten über die Datenverarbeitung können in unternehmens- und prozessbezogene Angaben sowie Angaben zu Betroffenenrechten unterteilt werden.
Um den betroffenen Personen die Feststellung der Identität und eine Kontaktaufnahme mit den Verantwortlichen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, sind nach den unternehmensbezogenen Informationspflichten Namen und Kontaktdaten des Verantwortlichen einerseits und des Datenschutzbeauftragten andererseits anzugeben.
Die Kategorie der prozessbezogenen Information betrifft zunächst Angaben zu Zwecken und Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung. Neben Hinweisen zu den Datenempfängern bzw. Empfängerkategorien sowie zur Übermittlungsabsicht in ein Drittland, inklusive Hinweisen zum jeweiligen Datenschutzniveau sind Angaben zur Dauer der Datenspeicherung bzw. Angaben zu den Kriterien für die Bestimmung dieser Dauer nötig. Werden Daten auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 f DSGVO verarbeitet, sind die diesbezüglichen berechtigten Interessen anzugeben. Auch ist eine automatisierte Entscheidungsfindung einschließlich Profiling anzuzeigen. Im Falle der Dritterhebung sind zudem die Kategorien der personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, mitzuteilen. Die Angaben zu den jeweiligen Verarbeitungsprozessen stellen einen erheblichen Teil der erforderlichen Information dar und sind mit relativ hohem Aufwand verbunden. Da in der Praxis eine Dokumentation und rechtliche Bewertung der Verarbeitungsprozesse nötig sein wird, empfiehlt es sich, die nötigen Informationen bereits bei der Erstellung des Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 DSGVO unmittelbar mit zu erfassen bzw. im Verzeichnis zu ergänzen.
Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, die Arbeitnehmer über ihre sogenannten Betroffenenrechte zu informieren. Diese Angaben zu den Betroffenenrechten unterscheiden sich wesentlich von den bisherigen Informationen nach § 4 Abs. 3 BDSG a.F. Die Informationspflicht umfasst zunächst Hinweise zu den Rechten der betroffenen Arbeitnehmer im engeren Sinne wie z.B. die Rechte auf Berichtigung, Auskunft, Sperrung, Löschung von Daten und Datenübertragbarkeit. Zudem muss nun aber auch auf das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde sowie die Widerrufsmöglichkeit von Einwilligungen hingewiesen werden. Bei der Direkterhebung von Daten ist der Betroffene gem. Art. 13 Abs. 2 e DSGVO über mögliche Pflichten zur Bereitstellung personenbezogener Daten und über mögliche Folgen der Nichtbereitstellung sowie die Erforderlichkeit der Daten für den Vertragsschluss zu informieren. Dies beinhaltet auch die ausdrückliche Information der Betroffenen über die Freiwilligkeit der Einwilligung.
Angesichts der detaillierten Anforderungen der DSGVO an die Information der Arbeitnehmer über den Umgang mit und die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten werden die bislang häufig verwendeten allgemeinen Kurzklauseln in Arbeitsverträgen den konkretisierten Vorgaben nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden. Es empfiehlt sich daher für Unternehmen, ihre Beschäftigten in Form eines datenschutzrechtlichen „Beipackzettels“ zum Arbeitsvertrag über die erforderlichen Angaben zu informieren. Bei der Formulierung eines solchen Dokumentes unterstützen wir Sie gerne.
Am 13.06.2018 stimmte das Bundeskabinett dem Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts nach einem Zugeständnis von Arbeitsminister Heil zu. Besonderes Anliegen ist, dass Arbeitnehmer freiwillig in Teilzeit arbeiten können, jedoch nicht unfreiwillig in Teilzeit verbleiben müssen. Von Januar 2019 an sollen Neuerungen wie beispielsweise die Einführung einer Brückenteilzeit, von Erörterungspflichten oder einer Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf den Arbeitgeber den Arbeitszeitpräferenzen der Arbeitnehmer entgegenkommen. Zudem sieht der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD erhebliche Änderungen hinsichtlich der Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen vor.
Im Mittelpunkt des Gesetzesentwurfes zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts steht der neu eingefügte § 9 a TzBfG, der einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit regelt und damit gleichstellungs- und familienpolitischen Zwecken dienen soll. Der Anspruch ist jedoch nicht an das Vorliegen bestimmter Gründe gebunden und kann insbesondere unabhängig von familiären Belangen geltend gemacht werden. Arbeitnehmer eines Unternehmens mit in der Regel insgesamt mehr als 45 Arbeitnehmern (ohne Berücksichtigung von Auszubildenden) können verlangen, dass ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (Vollzeit- oder Teilzeitarbeit) für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitraum von einem Jahr bis zu fünf Jahren verringert wird, sofern ihr Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand.
Da der Anspruch auf zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit aus § 9 a TzBfG selbstständig neben den unbefristeten Teilzeitanspruch aus § 8 TzBfG tritt, hätte hiernach künftig der Arbeitnehmer bezüglich der zeitlichen Begrenzung seines Teilzeitverlangens eine Wahlmöglichkeit. § 9 a TzBfG verweist hinsichtlich des Verfahrens der Anspruchsdurchsetzung auf § 8 TzBfG, so dass insbesondere auch die dort geregelte Erörterungspflicht und Fiktionswirkung Anwendung finden. Lehnt der Arbeitgeber den Änderungswunsch des Arbeitnehmers nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeit formgerecht in Schriftform ab, wird somit seine Zustimmung fingiert.
Der Arbeitnehmer kann nach Ablauf der Brückenteilzeit frühestens nach einem Jahr eine erneute zeitlich begrenzte oder unbegrenzte Teilzeit verlangen. Zur Planungssicherheit für den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer während der befristeten Arbeitszeitverringerung keinen weiteren Anspruch auf Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit, insbesondere besteht kein Anspruch auf vorzeitige Rückkehr zur ursprünglichen Arbeitszeit. Da Verkürzungsansprüche nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG), dem Bundesentgelt- und Elternzeitgesetz (BEEG) oder dem Familienpflegegesetz (FPfZG) hiervon unberührt bleiben, wird die angestrebte Förderung der Sicherheit bei der Personalplanung nur bedingt erzielt werden können.
Ebenso wie beim unbefristeten Teilzeitanspruch kann der Arbeitgeber das Verlangen des Arbeitnehmers nach befristeter Verringerung der Arbeitszeit ablehnen, soweit betriebliche Gründe entgegenstehen. Es ist davon auszugehen, dass die von der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 1 Hs. 2 TzBfG bereits herausgearbeiteten Prinzipien entsprechend Anwendung finden. Zusätzlich stellt gerade die Befristung des Teilzeitverlangens einen denkbaren Ablehnungsgrund dar, wenn z.B. eine kurzzeitige Überbrückung des in Frage stehenden Arbeitsumfangs nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Kostenaufwand möglich ist.
Für kleinere und mittlere Unternehmen sieht § 9 a Abs. 2 TzBfG zudem einen Überforderungsschutz gegen den Teilzeitanspruch des Arbeitnehmers vor. Beschäftigt ein Arbeitgeber in der Regel mehr als 45, aber nicht mehr als 200 Arbeitnehmer, kann er einredeweise anführen, dass im Unternehmen bereits eine bestimmte Zahl von Mitarbeitern in Teilzeit beschäftigt ist. Letztlich hat damit pro 15 Mitarbeiter nur jeweils ein Arbeitnehmer Anspruch auf Brückenteilzeit. Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen wie z.B. Altersteilzeit, tarifvertraglichem Teilzeitanspruch oder auf Basis der § 8 TzBfG, § 15 BEEG in Teilzeit beschäftigt sind, werden jedoch nicht in die Quoten eingerechnet. Der beabsichtigte Schutz des Arbeitgebers vor einer Überforderung ist daher allenfalls eingeschränkt gewährleistet.
Der Arbeitnehmer hat gemäß dem neuen § 7 Abs. 2 TzBfG einen Anspruch auf die Erörterung von Teilzeitwünschen gegen den Arbeitgeber. Da der Anspruch unabhängig davon greift, ob der Arbeitnehmer die gewünschte Anpassung notfalls erzwingen kann und folglich keine betriebliche Mindestgröße voraussetzt, gilt er auch in kleinen Betrieben. Unabhängig vom Umfang der bisherigen Arbeitszeit kann der Erörterungsanspruch sowohl auf eine Verkürzung als auch auf eine Verlängerung der Arbeitszeit gerichtet sein. Die Regelung grenzt weder Häufigkeit noch Gegenstand einschlägiger Erörterungsverlangen ein. Es ist davon auszugehen, dass der Anspruch eine echte Rechtspflicht begründet, gleichwohl bleibt ein Verstoß des Arbeitgebers sanktionslos und zieht keine Zustimmungsfiktion nach sich.
Bereits nach geltendem Recht sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die dem Arbeitgeber ihren Wunsch nach Verlängerung der vertraglichen Arbeitszeit angezeigt haben, bei der Besetzung entsprechender freier Arbeitsplätze bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 9 TzBfG). Künftig sollen Arbeitnehmer in ihrem Bestreben nach Verlängerung der Arbeitszeit durch eine stärkere Darlegungs- und Beweislastverlagerung auf den Arbeitgeber zusätzlich unterstützt werden. Bisher lag insoweit häufig eine abgestufte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nahe. Der Arbeitgeber soll nun nachzuweisen haben, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht mindestens gleich geeignet wie ein anderer Bewerber ist oder kein passender Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Um einen Streit mit der Union beizulegen, wurde der Gesetzestext diesbezüglich noch ergänzt und die Regelung abgeschwächt. Es wird klargestellt, dass ein frei zu besetzender Arbeitsplatz nur dann vorliegt, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen. Mit anderen Worten ist dies dann der Fall, wenn der Arbeitgeber aus freien Stücken beschlossen hat, eine Stelle zu schaffen.
Insgesamt dürfte, abgesehen von der Einführung der Brückenteilzeit, den Neuerungen im Teilzeitrecht nur geringe Praxisrelevanz zukommen. Die Brückenteilzeit wird demgegenüber vermutlich erhebliche Bedeutung erlangen. Der hierzu vorgesehene Anspruch reicht erheblich weiter als die anlassgebundenen Regelungen des PflegeZG, BEEG oder des FPfZG. Letztlich führt dies zu einem Ausbau des unübersichtlichen Sammelsuriums verschiedener divergierender Teilzeit- und Rückkehransprüche, mit denen sich der Arbeitgeber konfrontiert sieht.
Weiterhin sieht der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD eine Einschränkung der Möglichkeiten zur (sachgrundlosen) Befristung vor. Geplant ist zunächst eine Neuregelung des § 14 Abs. 2 TzBfG. Dies betrifft einerseits die Begrenzung der sachgrundlosen Befristung an sich, da die zulässige maximale Gesamtdauer von 24 auf 18 Monate verkürzt werden soll. Im Gegensatz zur bisherigen Möglichkeit der dreimaligen Verlängerung soll zudem künftig nur noch eine Verlängerung innerhalb des Befristungszeitraums möglich sein. Daneben soll die Gesamtzahl möglicher sachgrundloser Befristungen begrenzt werden. Für Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten soll eine Quote eingeführt werden, nach der nur noch maximal 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet beschäftigt werden können. Insbesondere bei Streitigkeiten über die Berechtigung einer sachgrundlosen Befristung hat der Arbeitgeber künftig auch die Rechtmäßigkeit der Befristungen mit Sachgrund darzulegen, um nachweisen zu können, dass die Quote der sachgrundlosen Befristungen eingehalten wurde. Eine genaue Dokumentation der jeweiligen Sachgründe ist daher ratsam. Aufgrund der zukünftig eingeschränkten Flexibilität von Verlängerungsmöglichkeiten empfiehlt sich eine langfristige und sinnvolle Planung.
Geplant ist außerdem eine Neuregelung zur Begrenzung von Kettenbefristungen. Danach soll eine Befristung unzulässig sein, wenn zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber von einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestand. Auf die Berechnung der Beschäftigungsdauer sollen auch Zeiten einer Entleihung zum Arbeitgeber angerechnet werden. Erst nach einer Sperrfrist von drei Jahren soll ein erneutes befristetes Arbeitsverhältnis zulässig sein. Bisher zulässige Kettenbefristungen sollen somit zeitlich auf eine Höchstdauer von fünf Jahren beschränkt werden. Tatsächliche Bedeutung wird diese Einschränkung vor allem für öffentliche Arbeitgeber haben, während im Bereich der Privatwirtschaft derartige Kettenbefristungen in der Praxis ohnehin kaum erfolgen.
Die Beschränkung sachgrundloser Befristungen durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist verfassungsgemäß.
§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG erlaubt die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses nur, wenn zwischen den Arbeitsvertragsparteien vorher noch kein Arbeitsverhältnis bestanden hatte. Diese Regelung legte das Bundesarbeitsgericht seit 2011 einschränkend dahingehend aus, dass eine frühere Tätigkeit für dasselbe Unternehmen dann keine Relevanz mehr habe, wenn zwischen der Vorbeschäftigung und der neuen Befristung mehr als drei Jahre vergangen sind.
Das BVerfG erklärte diese Auslegung nun für verfassungswidrig. Es warf dem BAG eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung vor, weil dieses sich über den Willen des Gesetzgebers hinweg gesetzt habe. Im Gesetzgebungsverfahren war bewusst auf eine Karenzfrist, wie sie das BAG mit seiner Auslegung einführte, verzichtet worden.
Künftig sind sachgrundlose Befristungen damit unwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber früher bereits beschäftigt war. Unwirksam sind auch bereits vereinbarte Befristungen, die im Vertrauen auf die Rechtsprechung des BAG abgeschlossen wurden.
Anders sieht das BVerfG dies nur dann, wenn ein unbeschränktes Vorbeschäftigungsverbot nicht erforderlich ist, um Kettenbefristungen zu verhindern und das Modell des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Regelbeschäftigungsform zu sichern. Davon könne beispielsweise auszugehen sein, wenn die Vorbeschäftigung sehr lang zurück liege, ganz anders geartet als die neue Tätigkeit oder von sehr kurzer Dauer war, wie bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit sowie bei Werkstudenten und auch bei einer Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung verbunden ist. Hier sieht das BVerfG eine einschränkende Auslegung von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG als geboten an.
(BVerfG, 06.06.2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14)
Tipps für die Praxis:
Bereitschaftszeiten, während derer sich ein Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort aufzuhalten und einem Ruf zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge zu leisten hat, sind als „Arbeitszeit“ einzuordnen.
Der Kläger, Angestellter eines Privatunternehmens, ist freiwilliger Feuerwehrmann beim Feuerwehrdienst der beklagten Stadt Nivelles (Belgien). Neben der Teilnahme an Feuerwehreinsätzen leisten auch die freiwilligen Feuerwehrleute Wach- und Bereitschaftsdienste mit der Vorgabe, einem Ruf zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge leisten zu können. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter anderem eine Entschädigung für seine zu Hause geleisteten Bereitschaftsdienste, die als Arbeitszeit anzusehen seien.
Auf Bitte des Arbeitsgerichtshof Brüssel (Cour du travail de Bruxelles) stellte der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren klar, dass auch eine zu Hause geleistete Bereitschaftszeit unter bestimmten Umständen „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sei. Entscheidend ist, ob sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und ihm quasi jederzeit auf Abruf zur Verfügung stehen müsse, um sofort seine Leistung erbringen zu können. Da dies die Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich frei seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, erheblich einschränke, unterscheide sich die Situation von der eines Arbeitnehmers, bei dem die schlichte Erreichbarkeit während des Bereitschaftsdienstes ausreiche.
(EuGH, 21.02.2018 – C-518/15)
Tipps für die Praxis:
Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, die die Hinterbliebenenversorgung für den Ehegatten ausschließt, wenn er mehr als 15 Jahre jünger als der Versorgungsberechtigte ist, verstößt nicht gegen das Alters-Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin stand aus seinem Arbeitsverhältnis eine Hinterbliebenenversorgung zu. Da die Versorgungsordnung bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren zwischen dem hinterbliebenen Ehegatten und dem Versorgungsberechtigten einen Anspruch jedoch ausschloss, erhielt die Klägerin, die 18 Jahre jünger war als ihr verstorbener Mann, keine Rente. Die Klage der Klägerin wegen Alters-Diskriminierung durch diese Altersabstandsklausel blieb vor dem BAG ohne Erfolg.
Zwar bewirke die Altersabstandklausel eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alter, diese sei laut Ansicht des BAG jedoch gerechtfertigt. Seitens des Arbeitgebers bestehe für die Eingrenzung des mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen finanziellen Risikos ein legitimes Interesse. Die hierfür erforderliche Altersabstandsklausel stelle keine übermäßige Beeinträchtigung der Interessen der Versorgungberechtigten dar; insbesondere sei bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren damit zu rechnen, dass der Hinterbliebene eine gewisse Zeit seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verlebe. Der gewählte Abstand von mehr als 15 Jahren betreffe zudem nur Ehegatten, deren Altersabstand zum Ehepartner erheblich über dem üblichen Altersabstand zwischen Ehepartnern liege. Die Altersabstandsklausel verstoße daher nicht gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
(BAG, Urteil vom 20.02.2018 – 3 AZR 43/17)
Tipps für die Praxis:
Die befristete Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses über die Regelaltersgrenze hinaus ist zulässig und stellt keinen Missbrauch dar.
Der Kläger war als Lehrer bei der Stadt Bremen angestellt und beantragte kurz vor Erreichen der Regelaltersgrenze die Weiterbeschäftigung über diesen Zeitpunkt hinaus. Die Stadt verlängerte das Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Schuljahres 2014/2015. Einen in der Folgezeit gestellten Antrag des Klägers auf Verlängerung bis zum Ende des ersten Schulhalbjahres 2015/2016 lehnte die Stadt ab. In seiner Klage machte der Kläger geltend, die Befristung der zunächst gewährten Verlängerung sei nicht mit geltendem Unionsrecht vereinbar.
Auf Ersuchen des LAG stellte der EuGH im Wege der Vorabentscheidung klar, dass eine nationale Regelung, die den Vertragsparteien unter bestimmten Umständen gestattet, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, mit dem Unionsrecht vereinbar sei und insbesondere nicht gegen die Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Anhang der RL 1999/70/EG sowie das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters der RL 2000/78/EG verstoße.
Personen, die das Rentenalter bereits erreicht haben, werden nach Ansicht des EuGH durch eine solche Regelung nicht gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, benachteiligt. Ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht habe, unterscheide sich erheblich von anderen Arbeitnehmern. Abgesehen von der sozialen Absicherung befinde sich ein solcher Arbeitnehmer regelmäßig am Ende seines Berufslebens, sodass er nicht vor der Alternative eines unbefristeten Vertrags stehe. Vielmehr könne er nur zwischen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und dem völligen Ausscheiden aus dem Berufsleben wählen.
Für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über einen vereinbarten automatischen Beendigungstermin bei Erreichen des Rentenalters hinaus sei stets die Zustimmung beider Vertragsparteien nötig. Eine systematische Prekarisierung der Lage der betreffenden Arbeitnehmer i.S.d. Rahmenvereinbarung durch entsprechende Regelaltersgrenzen sei zudem jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn dem Arbeitnehmer eine abschlagsfreie Rente zustehe.
(EuGH, 28.02.2018 – C - 46/17)
Tipp für die Praxis:
Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in die Lage, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben, darf der Arbeitnehmer nicht genommenen Jahresurlaub unbegrenzt auf Folgejahre übertragen.
Der Kläger arbeitete von 1999 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2012 auf Basis eines „Selbstständigen Vertrages ausschließlich gegen Provision“ bei dem Beklagten. Sein Jahresurlaub wurde nicht bezahlt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte der Kläger sowohl für genommenen unbezahlten, als auch für nicht genommenen Jahresurlaub die Zahlung einer entsprechenden Vergütung.
Auf Ersuchen des mit der Sache befassten Berufungsgerichts (Court of Appeal, England and Wales) stellte der EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens klar, dass es nicht mit Unionsrecht vereinbar sei, wenn ein Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub nehmen müsse, ohne zu wissen, ob er diesen bezahlt erhalte. Unsicherheiten bezüglich der Vergütung des Urlaubs laufen dem Erholungszweck zuwider und können abschreckende Wirkung haben, sodass sie ggf. den Arbeitnehmer von seiner Urlaubsausübung abhalten.
Nach Ansicht des EuGH ist seine Rechtsprechung zur begrenzten Übertragung von Urlaubsansprüchen, die krankheitsbedingt vom Arbeitnehmer nicht wahrgenommen werden konnten, nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Eine Begrenzung des Übertragungszeitraums auf 15 Monate zum Schutz des Arbeitgebers sei insbesondere im Hinblick darauf, dass der Arbeitgeber selbst den Grund für den Nichtantritt des Urlaubs setzte und zudem von der ununterbrochenen Tätigkeit des Arbeitnehmers profitierte, nicht erforderlich.
(EuGH, Urteil vom 29.11.2017 – C-214/16)
Tipps für die Praxis:
Im Rahmen einer Massenentlassung darf auch schwangeren Arbeitnehmerinnen gekündigt werden, solange der Arbeitgeber die Rechtfertigungsgründe für die Massenentlassung und die sachlichen Auswahlkriterien der zu entlassenden Arbeitnehmer angibt und diese in keinem Zusammenhang mit dem schwangeren Zustand der Arbeitnehmerin stehen.
Wegen geplanter Massenentlassungen nahm ein spanisches Unternehmen Konsultationen mit der Arbeitnehmervertretung auf. Nach den durch das Verhandlungsgremium entwickelten maßgeblichen Kündigungskriterien wurde einer schwangeren Arbeitnehmerin gekündigt. Als Begründung wurde zum Einen angeführt, dass in der einschlägigen spanischen Provinz weitgreifende Personalanpassungen nötig seien, und zum Anderen, dass das Ergebnis der Arbeitnehmerin in einem durch das Unternehmen durchgeführten Bewertungsverfahren zu den niedrigsten der Provinz zähle.
Nachdem die Klage der Arbeitnehmerin beim Arbeits- und Sozialgericht (Juzgado Social No 1 de Mataró) erfolglos blieb und sie Rechtsmittel beim Obersten Gericht von Katalonien (Tribunal Superior de Justicis da Catalun͂a) einlegte, ersuchte das Gericht den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren um Auslegung des Kündigungsverbotes zugunsten schwangerer Arbeitnehmerinnen nach der Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG in Fällen, in denen eine Massenentlassung im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG durchgeführt wird.
Laut EuGH darf einer schwangeren Arbeitnehmerin im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt werden. Eine entsprechende nationale Regelung sei unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nur falls der wesentliche Grund der Kündigung in der Schwangerschaft der Betroffenen liege, sei die Kündigung unzulässig. Solange die Kündigung jedoch schwangerschaftsunabhängig mit schriftlich dargelegten berechtigten Kündigungsgründen erfolge und nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zulässig sei, stehe ihr die RL 92/85/EWG nicht entgegen. Erforderlich sei nur, dass der Arbeitnehmer die Gründe zur Rechtfertigung der Massenentlassung sowie die sachlichen Auswahlkriterien für die zu entlassenden Arbeitnehmer nenne.
(EuGH, 22.02.2018 – C 103/16)
Tipp für die Praxis:
Bei hinreichend schwerem Verdacht kann einem Arbeitnehmer gegenüber eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitnehmer zuvor zu den Vorwürfen angehört wurde. Ist dem Arbeitnehmer für die Beantwortung jedoch eine zu kurze Frist eingeräumt worden, und erfolgt nach Fristablauf eine Verdachtskündigung ohne Vorliegen einer Stellungnahme des betroffenen Mitarbeiters, ist die Kündigung als Verdachtskündigung rechtlich unwirksam.
Nachdem der Kläger im Juni 2016 einen Laptop von der Beklagten erhalten hatte und seitdem durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, verlangte die Beklagte den Laptop nach dem Herunterladen größerer Datenmengen über den Laptop durch den Kläger zurück. Der Kläger schickte daraufhin einen anderen Laptop an die Beklagte zurück, wobei streitig ist, ob dies versehentlich geschah. Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom 4.8.2016 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 8.8.2016, 13:00 Uhr und kündigte das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Frist ohne erfolgte Stellungnahme außerordentlich.
Der Kläger erhob dagegen Klage vor dem LAG und bekam Recht. Die von der Beklagten gesetzte Frist sei – insbesondere unter Berücksichtigung anderer zwischen den Parteien anhängigen Streitigkeiten, in welchen sich der Kläger stets anwaltlich vertreten ließ – unangemessen kurz bemessen. Jedenfalls hätte die Beklagte das Anhörungsschreiben auch an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zusenden müssen. Überdies sei der Beklagten bekannt gewesen, dass der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und somit nicht durchgängig zu Hause sei.
(LAG Schleswig Holstein, 21.3.2018, 3 Sa 398/17)
Tipp für die Praxis:
Die Berechnung der in § 1 I Nr.2 und § 7 I MitbestG geregelten Schwellenwerte für die betriebliche Mitbestimmung erfolgt nur auf Basis der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer; eine Berücksichtigung von ausländischen Arbeitnehmern ist weder aus europarechtlicher noch aus verfassungsrechtlicher Sicht erforderlich.
Der Antragssteller als Aktionär der Antragsgegnerin, einer Aktiengesellschaft, beantragte die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft. Seiner Auffassung nach seien bei der Berechnung des Schwellenwertes ausländische Mitarbeiter miteinzubeziehen, sodass ausgehend von der weltweiten Anzahl von 18.442 Mitarbeitern der Aufsichtsrat gem. § 7 I 1 Nr. 2 MitbestG mit je acht Aufsichtsratsmitgliedern zu besetzen sei. Er beanstandete die derzeitige Besetzung des Aufsichtsrats mit je sechs Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer als unzutreffend.
Das Landgericht wies den Antrag zurück, da bei der Ermittlung von Schwellenwerten die Arbeitnehmer in ausländischen Betrieben von Niederlassungen und Tochtergesellschaften nicht mit zu berücksichtigen seien. Für diese Ermittlung komme es lediglich auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an, was aus § 3 I MitbestG folge. Da seit jeher das Territorialitätsprinzip für das betriebliche Mitbestimmungsrecht ausschlaggebend sei und die Vorschriften des BetrVG ausschließlich an das Belegenheitsrecht des konkreten Betriebs anknüpfen, werden im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer nicht vom persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG erfasst. Zweck des MitbestG sei die Sicherstellung einer gleichwertigen Teilnahme von Arbeitnehmern und Anteilseignern an Entscheidungen, wofür die Berücksichtigung ausländischer Arbeitnehmer unerheblich sei. Es bestehe somit weder ein Verstoß gegen Art. 18 AEUV noch gegen Art. 45 AEUV, da sachliche Gründe für die Differenzierung zwischen im Ausland und im Inland Beschäftigter vorliegen.
Dies bedeutet eine erneute Bestätigung der deutschen Unternehmensmitbestimmung als klar geregelte Interessenvertretung der Arbeitnehmer.
(LG Hamburg, 06.02.2018, 403 HKO 130/17)
Tipps für die Praxis:
Regelmäßig stellt eine Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung und ggf. anderen Zuwendungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Betriebsratsamt nach der Einleitung eines Verfahrens zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung und vorausgegangenen Verhandlungen keine nach § 78 S. 2 BetrVG unzulässige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds dar.
Der Kläger war seit 2006 Vorsitzender des Betriebsrats. Nachdem der Arbeitgeber unter Berufung auf verhaltensbedingte Gründe ein Verfahren zur Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Klägers eingeleitet hatte, einigten sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag. Dieser beinhaltete neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter anderem die Freistellung des Arbeitsnehmers unter Vergütungsfortzahlung sowie eine Abfindung von 120.000,00 Euro. Nach erfolgter Auszahlung machte der Arbeitnehmer den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses geltend, indem er sich auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags aufgrund unzulässiger Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds berief.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Vereinbarungen, die Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nach § 78 S. 2 BetrVG benachteiligen oder begünstigen, sind nach § 134 BGB nichtig. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrags stelle jedoch regelmäßig keine unzulässige Begünstigung dar; die günstigere Verhandlungsposition des Betriebsratsmitglieds im Vergleich zu einem Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt aufgrund des Sonderkündigungsschutzes gem. § 15 KSchG und § 103 BetrVG dürfe bei der Bemessung der Aufhebungskonditionen berücksichtigt werden.
(BAG, 21.03.2018 – 7 AZR 590/16)
Tipps für die Praxis:
Der örtliche Betriebsrat eines konzernangehörigen Unternehmens hat keinen Unterlassungsanspruch gegen eine von der Konzernleitung durchgeführte freiwillige anonyme Befragung aller Mitarbeiter des Konzerns auf Grundlage eines Standardfragebogens.
Antragssteller ist der Betriebsrat eines Herzzentrums als 100%iger Tochtergesellschaft eines Universitätsklinikums als Konzernobergesellschaft für mehrere wissenschaftliche und medizinische Tochter- und Servicegesellschaften. 2015 führte das Universitätsklinikum eine freiwillige, anonyme, auf Grundlage von in Papierform versandten Standardfragebögen konzernweite Mitarbeiterbefragung durch.
Arbeitsgericht und Landgericht entsprachen dem Begehren auf Unterlassen der Mitarbeiterbefragung ohne Zustimmung bzw. Zustimmungsersetzung des örtlichen Betriebsrats des Herzzentrums.
Das BAG schloss sich dem nicht an. Da die Mitarbeiterbefragung nicht der Mitbestimmungspflicht des örtlichen Betriebsrats unterliege, könne dieser ihre Unterlassung nicht verlangen. Der örtliche Betriebsrat mache einen Anspruch gegenüber dem Herzzentrum geltend, vorliegend sei aber das Universitätsklinikum und nicht das Herzzentrum Träger der Befragungsmaßnahme. Die Mitarbeiterbefragung stelle folglich eine ausschließliche Maßnahme der Konzernobergesellschaft dar, sodass die Befragung, falls mitbestimmungspflichtig, nur der Beteiligung des Konzernbetriebsrats unterworfen sei. Ein etwaiger Unterlassungsanspruch aus datenschutzrechtlichen Erwägungen, der sich aus dem Persönlichkeitsrecht der von der Verwendung personenbezogener Daten betroffenen Arbeitnehmer ergeben könne, stehe dem Betriebsrat als Gremium nicht zu, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handle.
Tipps für die Praxis:
Der Arbeitgeber unterliegt keinem strikten Neutralitätsgebot im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Aus dem in § 20 II BetrVG normierten Verbot, die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen zu beeinflussen, folgt keine Verpflichtung des Arbeitgebers, jede Handlung oder kritische Äußerung zu unterlassen.
In einem Gemeinschaftsbetrieb wurde die Wahl des Betriebsrats von wahlberechtigten Arbeitnehmern sowie der früheren Betriebsratsvorsitzenden angefochten, weil sie aufgrund unzulässiger Beeinflussung seitens des Arbeitgebers nichtig sei. Ein Personalleiter habe vor der Wahl geäußert, jeder, der der damaligen Betriebsratsvorsitzenden seine Stimme gebe, begehe Verrat. Der Arbeitgeber habe den Wahlausgang durch öffentliche Diskreditierung der Arbeit der damaligen Betriebsratsvorsitzenden und gezielter Aufforderung bestimmter Mitarbeiter zur Wahlaufstellung entscheidend beeinflusst.
Nach Abweisung der Anträge durch das Arbeitsgericht erklärte das LAG die Wahl im Beschwerdeverfahren für unwirksam. Die dagegen erhobene Rechtsbeschwerde war erfolgreich.
Für die Anfechtbarkeit der Wahl müsste gem. § 19 I, II 2 BetrVG gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden sein. Laut Ansicht des BAG sei das LAG zu Unrecht von einem Verstoß gegen das Verbot der Wahlbeeinflussung nach § 20 II BetrVG ausgegangen. Aus dieser Vorschrift folge kein striktes Neutralitätsgebot des Arbeitgebers im Zusammenhang mit Betriebsratswahlen. Die Vorschrift untersage die Beeinflussung durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen. Das betreffe Benachteiligungen oder Begünstigungen wie beispielsweise Stimmenkauf der Arbeitnehmer oder finanzielle Unterstützung einzelner Wahlkandidaten mit Intention der Wahlbeeinflussung. Aus der Vorschrift ergebe sich aber kein Verbot für den Arbeitgeber, sich jeder Handlung oder Äußerung, die zur Wahlbeeinflussung geeignet sein könnten, zu enthalten.
(BAG, 25.10.2017 – 7 ABR 10/16)
Tipps für die Praxis:
20. Juni 2018, 5. Senat
Überstunden - Urlaubsabgeltung - Ausschlussfrist und § 3 MiLoG
20. Juni 2018, 5. Senat
Arbeitsentgelt - Mindestlohn - tarifliche Ausschlussfristen
21. Juni 2018, 6. Senat
Stufenzuordnung gemäß § 16 TV-L - Zulässigkeit der Privilegierung der beim selben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrung trotz Unionsrechts-/Auslandsbezugs (Art. 45 AEUV)?
26. Juni 2018, 1. Senat
Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung - Reichweite der Rechtskraft eines Beschlusses zur Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung - Beweiserhebung und -würdigung - Verfahrensrügen
Publikation
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