Beratungsfeld

Detektiveinsatz im Arbeitsverhältnis: Anforderungen und Risiken
Deutschland | Publikation | Juli 2025
Besteht der Verdacht, dass Arbeitnehmer schwere Pflichtverletzungen oder sogar Straftaten begangen haben, lassen sich Beweisschwierigkeiten nicht immer durch Mitarbeiterbefragungen oder ähnliche Mittel lösen. Nicht selten wird der Einsatz von Privatdetektiven in Betracht gezogen, der nur unter engen Voraussetzungen zulässig ist. Arbeitgeber sollten die Maßstäbe genau kennen, um drohende Beweisverwertungsverbote, Bußgelder oder Schadensersatzansprüche zu vermeiden.
- Verdeckte Überwachungen im Arbeitsverhältnis
- Datenschutzrechtliche Zulässigkeit
- Konkreter Anfangsverdacht
- Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahme
- Datenminimierung
- Informationspflicht nach der Observation
- Mitbestimmungsrechte beachten
- Folgen
- Fazit: Ultima ratio zur Aufdeckung und Beweissicherung
Verdeckte Überwachungen im Arbeitsverhältnis
Die Einsatzfelder von Privatdetektiven im Arbeitsverhältnis sind vielfältig und können zur Aufklärung von Straftaten im Betrieb, insbesondere wenn zunächst die Einschaltung der Strafermittlungsbehörden vermieden werden soll, zur Aufdeckung vermuteter Vertragsverletzungen wie dem Vortäuschen von Krankheiten, der Ausübung einer Konkurrenztätigkeit bzw. einer anderen Erwerbstätigkeit während der Krankschreibung (BAG, 29.06.2017 – 2 AZR 597/16) oder zu Ehrlichkeitskontrollen in Betracht gezogen werden. Die Zulässigkeit verdeckter Beobachtungen durch Privatdetektive ist bisher gesetzlich nicht einheitlich geregelt. Diese orientiert sich vielmehr an den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen, die vor allem auf datenschutzrechtliche Regelungen Bezug nehmen. Ein mögliche Vereinheitlichung im Rahmen eines Beschäftigtendatengesetzes (vgl. Referentenentwurf vom Oktober 2024) wurde noch nicht gesetzgeberisch umgesetzt.
Datenschutzrechtliche Zulässigkeit
Aus rechtlicher Sicht handelt es bei der Überwachung durch einen Privatdetektiv um eine Datenerhebung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Dabei werden Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Arbeitnehmers beschafft, die dem Arbeitgeber in Observationsberichten zur Verfügung gestellt werden. Eine automatisierte Datenerhebung bzw. - verarbeitung ist dazu nicht erforderlich, es genügen rein tatsächliche Handlungen (BAG, 20.06.2013 – 2 AZR 546/12).
Bei der Überwachung handelt es sich um einen intensiven Eingriff in die Rechtssphäre des Arbeitnehmers, insbesondere dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht bzw. Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Das bedeutet, dass sich die Verarbeitung von Beschäftigtendaten bei verdeckten Observationen auf die Generalklausel des Art. 6 DS-GVO stützen muss und die in Art. 5 DS-GVO geregelten allgemeinen Verarbeitungsgrundsätze zu beachten sind. Verdeckte Observationen können unter Einhaltung dieser engen Voraussetzungen rechtmäßig sein, wenn sie der Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers dienen und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Arbeitnehmers überwiegen (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO) legitimieren.
Umstritten ist, ob nach einer Entscheidung des EuGH vom 30.03.2023 (Az. C-34/21) der speziell bei Detektiveinsätzen anzuwendende Erlaubnistatbestand des § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG, anwendbar ist: „Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten nur dann verarbeitet werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.“ (NZA 2017, 1086) Nach Ansicht des EuGH haben die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung Vorrang vor nationalen Regelungen, wenn diese keine spezifischeren Regelungen beinhalten oder lediglich den Wortlaut wiederholen, mit der Folge, dass die nationalen Regelungen unanwendbar sind. Hier enthält die Vorschrift allerdings in Bezug auf das Erfordernis der zu dokumentierenden tatsächlichen Anhaltspunkte durchaus eine (zusätzliche) Schutzmaßnahme im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, so dass auch von einer Anwendbarkeit im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 88 Abs. 2 DS-GVO auszugehen sein dürfte. Anderenfalls kommen die oben genannten Grundsätze der DSGVO zur Anwendung, die im Wesentlichen gleichartige Maßstäbe enthalten.
Arbeitgeber sind im Ergebnis mit höheren Hürden, insbesondere im Hinblick auf die Abwägung mit möglichen überwiegenden Interessen des Arbeitnehmers, konfrontiert. Hier spiegelt sich ein Trend im europäischen (Beschäftigten-)Datenschutzrecht wider, Verarbeitungen auf das absolut Notwendige zu beschränken.
Konkreter Anfangsverdacht
Der Einsatz von Detektiven ist ausschließlich zu repressiven Zwecken zulässig. Dazu muss ein begründeter Anfangsverdacht vorliegen, der auf konkreten und objektiven Anhaltspunkten basiert. Dies Anhaltspunkte müssen einen Verdacht auf eine Straftat oder ein mindestens schwerwiegend vertragswidriges, fortgesetztes Verhalten ergeben. Um hinreichend objektivierbar zu sein, muss sich der Verdacht gegen einen abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, d.h. ohne konkrete Verdachtsmomente, um ein mögliches pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers zu erforschen, ist von vornherein unzulässig.
Ein einfacher Tatverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO wird von der Rechtsprechung als ausreichend angesehen (BAG, 20.10.2016 – 2 AZR 395/15). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Arbeitnehmer seine zukünftige Arbeitsunfähigkeit im Kollegenkreis angekündigt hat oder der Verdacht der Bestechlichkeit sich aus der Belegschaft und durch anonyme Kundenhinweise begründet.
Die Anhaltspunkte sollten dokumentiert werden. Allein aus Beweisgründen ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, den konkreten Tatverdacht aktenkundig zu machen und insbesondere entstandene Schäden, den Kreis der Verdächtigen und die Verdachtsgrundlage schriftlich niederzulegen. Zu beachten ist, dass der Einsatz des Detektivs keine Beweismittel zutage fördern darf, die dessen Einsatz erst zu rechtfertigen vermögen.
Bestehen konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat oder schweren Vertragsverletzung und zählt der Arbeitnehmer zu dem anhand objektiver Kriterien eingegrenzten Kreis der Verdächtigen, kann sich aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 242 BGB eine Verpflichtung des Arbeitnehmers ergeben, verhältnismäßige Aufklärungsmaßnahmen zu dulden.
Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahme
Die Überwachungsmaßnahme bzw. verdeckte Beobachtung durch den Detektiv muss erstens geeignet sein, die vom Arbeitgeber beabsichtigte Aufdeckung des verdächtigen Verhaltens auch erreichen zu können. Dazu muss der Detektiv rechtmäßig handeln. Erlaubt ist das Beobachten von öffentlichen Plätzen, Straßen und Wegen aus. Nicht erlaubt ist hingegen das Eindringen in Räume des Arbeitnehmers oder das Anfertigen von Aufnahmen, was nach § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbewehrt ist.
Zweitens muss der Detektiveinsatz erforderlich sein und die einzig erfolgversprechende Möglichkeit darstellen, die Umstände hinreichend aufzuklären. Besteht die Möglichkeit, den Sachverhalt durch andere gleich wirksame Mittel aufzuklären, die das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers weniger einschränken, ist diesen Vorzug zu geben. Besteht beispielsweise bei der Vorlage unrichtiger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug, müsste dieser Verdacht zunächst durch eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst oder die Befragung anderer Arbeitnehmer ausgeräumt werden (BAG, 25.07.2024 – 8 AZR 225/23).
Drittens muss die Überwachungsmaßnahme angemessen sein und das Ermittlungsinteresse des Arbeitgebers die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers überwiegen. Die Abwägung können unterschiedlichste Kriterien berücksichtigt werden. Zum einen können das Vorverhalten des Arbeitnehmers und die Betrachtung des gesamten Arbeitsverhältnisses in seiner Ausprägung stehen, wie z.B. Häufigkeit von Krankmeldungen im Umfeld unangenehmer Termine; „Flucht“ in Krankheit bei Vorliegen eigentlich anderer Konflikte; bestehende anderweitige Streitigkeiten; Aufenthaltsorte, die einer Arbeitsleistung entgegenstehen etc.) einbezogen werden. Weiterhin können der Verdachtsgrad und die Schwere der vermuteten Tat berücksichtigt werden. Schließlich spielen die Heimlichkeit des Vorgehens des Detektivs, die Dauer der Überwachung und die Wahl der verwendeten Mittel (Befragungen, Beobachtungen, Kontrolle von Korrespondenz, Anfertigung von Bildaufnahmen) eine weitere Rolle.
In zeitlicher Hinsicht gibt es bislang soweit ersichtlich keine durch die Rechtsprechung konkret festgelegten Höchstgrenzen. Eine Überwachung von 20 Tagen wurde von seitens des LAG Rheinland Pfalz (Urteil vom 27.04.2017 – 5 Sa 449/16) allerdings bereits als unverhältnismäßig erachtet. In der Literatur wird die Grenze bisweilen bei zwei Wochen gezogen. Jedenfalls eine dauerhafte intensive Überwachung steht nach § 163ff. StPO unter Richtervorbehalt und ist dem Arbeitgeber verboten.
Datenminimierung
Darüber hinaus dürfen bei der Informationsgewinnung nur solche Daten gesammelt und verarbeitet werden, die für die Verdachtsaufklärung zwingend erforderlich sind. Daten, die nicht diesem Zweck dienen, insbesondere personenbezogene Daten Dritter, sind umgehend zu löschen. Die nachhaltige Ausspähung der Privatsphäre des Arbeitnehmers ist unzulässig. Ist absehbar, dass der Detektiv keine Ermittlungsergebnisse vorweisen kann, ist die Überwachung umgehend einzustellen. Hier kann es hilfreich sein, Zwischenberichte anzufordern. Die Informationen sollten nur Beschäftigten des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt werden, sofern diese zwingend benötigt werden (Need-to-know-Prinzip).
Informationspflicht nach der Observation
Der Einsatz von Detektiven macht nur dann Sinn, wenn die Observation auch heimlich durchgeführt wird. Zwar sind Arbeitgeber grundsätzlich nach Art. 14 DS-GVO verpflichtet, den betroffenen Arbeitnehmer über Datenerhebungen zeitnah zu informieren. Allerdings dürften bei verdeckten Beobachtungen die Ausnahmetatbestände aus Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 lit. a BDSG und Art. 14 Abs. 5 lit. b DS-GVO in den meisten Fällen rechtfertigen, dass der Betroffene erst nach Abschluss der Überwachungsmaßnahme informiert wird. Diese Information muss dann allerdings zwingend erfolgen.
Mitbestimmungsrechte beachten
Bei dem Einsatz von Privatdetektiven besteht in der Regel kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Ausnahmen können bestehen, wenn die Überwachung mithilfe technischer Einrichtungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfolgt. Wird der Detektiv in den Betrieb eingeschleust, um verdächtige Arbeitnehmer längerfristig zu überwachen, wird das Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG ausgelöst, insbesondere wenn die Eingliederung zur Überwachung einzelner Arbeitnehmer dient. Dies setzt jedoch voraus, dass die Detektive bei ihrer Tätigkeit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen, in dessen Betrieb sie eingesetzt werden.
Folgen
Wird der Arbeitnehmer durch den Einsatz des Privatdetektivs einer Straftat oder vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt, kann der Arbeitgeber nach ständiger Rechtsprechung die Erstattung der von dem Arbeitnehmer durch das Tätigwerden des Detektivs entstandenen notwendigen Kosten wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten verlangen. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass die Ergebnisse als Beweismittel im Rechtsstreit verwertet werden dürfen.
Sollte sich die heimliche Überwachung durch den Einsatz des Privatdetektivs als nicht rechtmäßig herausstellen, drohen dem Arbeitgeber empfindliche Strafen, beispielsweise in Form von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen. Darüber hinaus kann eine unzulässige Mitarbeiterkontrolle gegebenenfalls auch ordnungswidrige sowie strafrechtliche Folgen beinhalten.
Fazit: Ultima ratio zur Aufdeckung und Beweissicherung
Arbeitgeber sollten den Einsatz von Privatdetektiven im Arbeitsverhältnis nur als ultima ratio zur Aufdeckung und Beweissicherung in Erwägung ziehen und den Einsatz gründlich und durchgehend dokumentieren. Eine künftige gesetzliche Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes sollte Ausnahmen von den Transparenzpflichten für Arbeitnehmer schaffen, um ein entsprechend heimliches Vorgehen rechtssicher zu ermöglichen.
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