Die Einflüsse des EU-Rechts auf die Gewerblichen Schutzrechte sind gerade dann besonders deutlich, wenn das EU-Recht ein eigenes EU-weit wirkendes Schutzrecht vorsieht, wie dies mit der Unionsmarke und der Gemeinschaftssorte der Fall ist und wie es das Ziel der Bemühungen um das EU-Einheitspatent ist.
Patentrecht
Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU hätte keine unmittelbaren Auswirkungen auf das bestehende europäische Patentsystem.
Das europäische Patent ist kein Gemeinschaftsrecht. Es zeichnet sich vielmehr durch ein zentrales Erteilungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt, einer internationalen Verwaltungsbehörde, aus. Nach Erteilung des Europäischen Patents erhält der Inhaber ein Bündel nationaler Patente. Dem Europäischen Patentübereinkommen gehören auch Nicht-EU-Länder an, wie z.B. Norwegen, die Schweiz und die Türkei. Parallel besteht auch weiterhin die Möglichkeit, seine technische Erfindung durch nationale Patente und Gebrauchsmuster schützen zu lassen.
Eine gewisse Unsicherheit für die Zukunft, allerdings kein unmittelbarer Handlungsbedarf besteht für die Pharma- und Agrarindustrie.
Das Recht über „Ergänzende Schutzzertifikate“ ist durch eine europäische Verordnung geregelt. Das ergänzende Schutzzertifikat verlängert bestehenden Patentschutz auf zulassungspflichtige Arznei- und Pflanzenschutzmittel um maximal fünf Jahre. Es soll einen Ausgleich für die durch Zulassungsverfahren verlorene Zeit der Nutzung der Patente darstellen. Die Verlängerung des Patentschutzes durch Schutzzertifikate ist vor allem für die Pharmaindustrie von enormer Bedeutung, da die Patentlaufzeitverlängerung für erfolgreiche Arzneimittel ein wichtiger Baustein für die Finanzierung ihrer vergleichsweise hohen Forschungskosten darstellt.
Auf Grund der hohen Bedeutung der Schutzzertifikate für die britische Industrie kann man davon ausgehen, dass die neue Regierung Übergangsregeln schaffen und nach dem Brexit eine ähnliche Schutzverlängerung wie in der EU anbieten wird. Die aktive Rechtsprechung des EuGH auf diesem Gebiet wäre dann aber nicht mehr unmittelbar anwendbar.
Einen Schatten wirft das Referendum der Briten für den EU-Austritt auf das geplante EU-Patent.
Seit vierzig Jahren wurde darüber verhandelt, ein einziges Schutzrecht für den gesamten Binnenmarkt zu kreieren, anstatt der derzeitigen Lösung des Bündels nationaler Patente. Es hätte gegenüber dem aktuellen Europäischen Patent insbesondere den Vorteil, dass es anstatt Land für Land in dem gesamten Gebiet der teilnehmenden Länder in einem einzigen Verfahren gegen Patentverletzer durchgesetzt werden könnte. Für Anmelder, die in einer großen Anzahl von EU-Mitgliedsländern und nicht nur in wenigen Schutz suchen, würden sich sowohl die Kosten als auch der Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren. Dem steht das Risiko einer Vernichtung des Patents im gesamten Gebiet auf einen Streich gegenüber.
Die EU-Patent-Befürworter, zu denen zuletzt auch die deutsche Industrie gehörte, wähnten sich endlich am Ziel, denn es wurde mit einem Start Anfang 2017 gerechnet. Die zum Start notwendige Ratifizierung des Abkommens noch in diesem Jahr durch 13 Mitgliedsstaaten, worunter zwingend die nach Patentanmeldezahlen größten europäischen Länder Deutschland, Frankreich und eben das Vereinigte Königreich gehören, galt bis zum Referendum als sicher. Jetzt ist alles wieder offen. Zwar könnte das Vereinigte Königreich das Abkommen wie geplant dieses Jahr noch ratifizieren und rein theoretisch sogar noch durch spezielle Verträge über einen EU-Austritt hinaus daran teilnehmen – die große Mehrheit der Patentexperten beiderseits des Ärmelkanals würde das begrüßen – doch ist sehr zweifelhaft, ob die neue britische Premierministerin derzeit nicht dringendere Sorgen hat bzw. ob der politische Wille im Vereinigten Königreich überhaupt noch vorhanden ist, gerade jetzt eine neues EU-Recht und EU-Gerichtssystem mit ins Leben zu rufen. Daher wird vielmehr damit gerechnet, dass auch das EU-Patent in die Austrittsverhandlungsmasse fallen wird und sich somit das gesamte Projekt um einige Jahre verzögern wird. Das Ganze kompliziert sich noch durch die Tatsache, dass die Zentralkammer als wichtigstes EU-Patentgericht auf die Standorte Paris, München und London verteilt wurde. Bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs müsste der dritte Standort der Zentralkammer wohl neu festgelegt werden. Auch müssten die Erteilungs- und Aufrechterhaltungsgebühren neu austariert werden, denn ohne Abdeckung des Vereinigten Königreichs verlöre das EU-Patent deutlich an Attraktivität. Darüber hinaus könnte die Sprachenfrage, die das gesamte Projekt bereits über Jahrzehnte blockiert hatte, neu aufflammen, denn Englisch wird auf dem Gebiet des EU-Patents nur noch für sehr wenige Muttersprache sein.
Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstrecken sich auf alle 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und gewähren ihrem Inhaber dort ein ausschließliches Recht.
Während das Procedere und die Wirkungen für den Beitritt neuer Mitgliedstaaten geregelt ist, fehlt eine entsprechende Regelung für den Fall eines Austritts eines Mitgliedstaates.
Sicher dürfte sein, dass Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster nach einem Austritt des Vereinigten Königsreich aus der Europäischen Union nicht mehr im Vereinigten Königreich geschützt wären. Vermutlich wird es Unionsmarkeninhabern ermöglicht werden, ihre Unionsmarke in eine nationale Marke beim UKIPO umzuwandeln, im Idealfall unter Wahrung der Priorität der Unionsmarke. Hierfür spricht sich in einer ersten Stellungnahme auch die ITMA aus. Gleiches könnte auch für eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gelten.
Was die Rechtsdurchsetzung betrifft, werden insbesondere gemeinschaftsweite Klagen bzw. Verfügungen nicht länger das Vereinigte Königreich mitumfassen. Vielmehr muss der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke oder eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zwei Verfahren anstrengen, um die gesamte Europäische Union einschließlich des Vereinigten Königreichs abzudecken. Dies gilt auch für bereits bestehende Titel. Um diese aufrechtzuerhalten, müsste nach dem Austritt des Vereinigten Königreiches ein weiteres Verfahren eingeleitet werden, um eine Marken-/Geschmacksmusterverletzung in Großbritannien ab dem Austritt zu verhindern.
Auch ein EU-weiter Grenzbeschlagnahmeantrag wird nach Austritt nicht mehr in Großbritannien wirken; hier ist ggf. ein nationaler Antrag zu stellen.
Handlungsempfehlung
Es bleibt abzuwarten, wie der Austritt der Briten final geregelt wird. Wer sicher gehen will, sollte in Erwägung ziehen, parallel zu Unionsmarken auch nationale Marken in Großbritannien anzumelden.
Sortenschutzrecht
Das Sortenschutzrecht ist das spezielle Gewerbliche Schutzrecht für Pflanzensorten. Es enthält im Vergleich zum Patentschutz insbesondere spezielle Regelungen, die es Züchtern ermöglichen, mit den geschützten Pflanzensorten Dritter nicht nur Forschung zu betreiben, sondern im Falle der Züchtung einer neuen Sorte diese selbst schützen zu lassen und zu vertreiben.
Auch das System des Sortenschutzrechts sieht – wie das Markenrecht – einen nationalen Schutz durch das deutsche Sortenschutzgesetz sowie einen EU-weiten Schutz durch das Gemeinschaftssortenrecht vor. Registrierungen von Gemeinschaftssorten erfolgen beim Gemeinschaftlichen Sortenamt in Angers, Frankreich.
Ein Brexit hätte damit in dem Fall, in dem es keine Übergangsregelungen gibt, jedenfalls die direkte Auswirkung, dass für den Bereich des Vereinigten Königreichs kein Schutz mehr durch die Gemeinschaftssorte existiert.
Hieraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
- Für neu gezüchtete Sorten sollte neben einem Gemeinschaftssortenrecht unmittelbar auch ein nationales Schutzrecht für das Vereinigte Königreich beantragt werden. Angesichts der Regelung des Art. 92 der Gemeinschaftssortenverordnung (GemSortV), die unter Umständen gegen die Möglichkeit sprechen könnte, ein nationales Sortenschutzrecht zu registrieren, wenn bereits ein Gemeinschaftssortenrecht existiert, dürfte es empfehlenswert sein, zuerst den Antrag auf das nationale Sortenschutzrecht und dann erst den Antrag auf das Gemeinschaftssortenrecht zu stellen. Denn für die zuletzt genannte Konstellation sieht Art. 92 GemSortV die Möglichkeit einer nachträglichen Registrierung der Gemeinschaftssorte vor, die zu einem Ruhen der nationalen Sorte führt, solange das Gemeinschaftssortenrecht besteht.
- Für bereits registrierte Gemeinschaftssortenrechte ist zu unterscheiden, ob das betreffende Saatgut bereits seit mehr als einem Jahr im Vereinigten Königreich vertrieben wird. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann noch ein nationales Schutzrecht im Vereinigten Königreich angemeldet werden. Es ist dann abzuwarten, wie sich das Sortenamt in Bezug auf Art. 92 GemSortV verhält. Wird die Sorte bereits seit mehr als einem Jahr im Vereinigten Königreich gehandelt, so kommt eine nationale Registrierung mangels Neuheit der Sorte nicht in Betracht. Insoweit sind die Übergangsbestimmungen abzuwarten, die im Falle eines Brexit sicherlich erfolgen werden.
Auch der Vertrieb von Saatgut, der zur Zeit auf Basis von solchen saatgutverkehrsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen wird, die eine Anerkennung von Saatgut für in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) zugelassenen Sorten vorsehen (§ 55 Abs. 2 SaatG), dürfte im Falle eines Brexit neu zu überdenken sein. So wäre eine saatgutverkehrsrechtliche Zulassung einer Sorte im Vereinigten Königreich für eine Anerkennung von Saatgut für den deutschen Markt nur dann noch ausreichend, wenn das Vereinigte Königreich Mitglied der EFTA wird und so weiterhin dem EWR zuzurechnen ist.
Lizenzvereinbarungen
In Bezug auf Lizenzvereinbarungen ist zu berücksichtigen, dass sich im Falle eines Brexit die territoriale Ausdehnung der eingeräumten Lizenz verkleinern könnte, wenn diese bislang für die EU erteilt wurde, in der auch das Vereinigte Königreich ein Mitglied ist.
Für neue Lizenzvereinbarungen kann daher an die Aufnahme von Klauseln gedacht werden, die für den Fall des Brexit bereits jetzt Regelungen treffen. So kann beispielsweise ein Sonderkündigungsrecht vereinbart werden, um Schadensersatzforderungen abzuwenden.