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NRF & Innovation: KI und Legal Tech im Arbeitsrecht
Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) bietet Potenziale und Chancen, aber auch regulatorische und praktische Herausforderungen.
Deutschland | Publikation | Juli 2025
Posluschny: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2024 (Az. 8 AZR 172/23) macht einmal mehr deutlich, dass Arbeitgeber vom Schutzbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes nur dann profitieren, wenn ein Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 2 Abs. 1 GeschGehG wirklich vorliegt. Eine Geschäftsinformation ist nach dem strengen Maßstab des Geschäftsgeheimnisgesetzes dann ein Geschäftsgeheimnis, wenn erstens eine Information nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich ist und zweitens deren Geheimhaltung für den rechtmäßigen Inhaber wirtschaftlich sinnvoll ist.
Rübel: Drittens muss der Inhaber angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen in Bezug auf diese Information ergriffen haben und ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben. Welche Art von Geheimhaltungsmaßnahmen als angemessen gelten, hängt von der Art des Geschäftsgeheimnisses im Einzelnen und den konkreten Umständen der Nutzung ab. Erst wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Arbeitgeber als Rechteinhaber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG geltend machen.
Rübel: Dieser unbestimmte Rechtsbegriff lässt in der Praxis einigen Interpretationsspielraum zu. Geheimhaltungsmaßnahmen sind jedenfalls dann angemessen, wenn der Inhaber im Vorfeld alles Notwendige und Zumutbare getan hat, um die betreffende Information nicht offenkundig werden zu lassen. Das bedeutet insbesondere, dass Arbeitgeber ein konkretes, speziell auf einzelne Geheimnisse ausgerichtetes Schutzkonzept, das technische, organisatorische und vertragliche Maßnahmen umfasst, benötigen. Pauschale Behauptungen beispielsweise bezüglich technischer Sicherheitsmaßnahmen oder eine angemessene IT-Sicherheit reichen nach der oben genannten BAG-Entscheidung nicht aus, um die Angemessenheit des Geheimnisschutzes feststellen zu können. Gegebenenfalls sind noch weitere Maßnahmen den Umständen nach zu ergreifen, wobei hier eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Genauso wie das Ergreifen verschiedener verstärkender Maßnahmen zu einem angemessenen Schutzniveau führen kann, kann ein in Kauf genommenes „Datenleck“ zu der Bewertung führen, dass insgesamt kein angemessenes Schutzniveau mehr vorliegt (OLG Stuttgart, 19.11.2020 – 2 U 575/19).
Posluschny: Die Ausrichtung auf konkrete, genau zu bezeichnende Geschäftsgeheimnisse führt dazu, dass der Arbeitnehmer von der Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf diese konkreten Informationen Kenntnis haben muss (OLG Stuttgart, 19.11.2020 – 2 U 575/19). Etwaige Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen müssen daher auf konkrete Geschäftsinformationen gerichtet sein, ein entsprechendes Kontrollsystem muss eingerichtet sein.
Posluschny: Geheimhaltungsklauseln sind sinnvoll und erforderlich. Um den wirtschaftlichen Wert des Geheimnisses zu schützen und für den Arbeitgeber nutzbar zu machen, müssen sie den gesetzlichen Anforderungen genügen. Dem vorliegenden Fall lag eine formularmäßig vereinbarte Vertragsklausel zugrunde, die den Arbeitnehmer zu Stillschweigen „über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge“ über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus verpflichtete. Das BAG erkannte in dieser außerordentlich weit gefassten und zeitlich unbegrenzten Klausel (sog. „Catch-all-Klausel“) eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und erklärte sie für unwirksam. Nach Ansicht des Gerichts war der Arbeitnehmer in seiner von Art. 12 GG gewährten Berufsfreiheit zu stark beschränkt, sein erlangtes Wissen bei einem neuen Arbeitgeber einsetzen zu dürfen. Die Klausel komme daher in unzulässiger Weise einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich. Unter der gebotenen Abwägung der wechselseitigen Interessen hätte der Arbeitgeber besser ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB vereinbaren und eine Karenzentschädigung zahlen sollen. Es fehlte hier also bereits an einer wirksamen Vertragsklausel, so dass der Anwendungsbereich des Geschäftsgeheimnisgesetzes gar nicht eröffnet war.
Rübel: Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sollte bei besonders sensiblen Informationen als Alternative in Erwägung gezogen werden. Geschäftsinformationen sind vielfältig und ändern sich während der Dauer der Beschäftigung. Sobald absehbar ist, dass Informationen als sensible Geschäftsgeheimnisse zu kategorisieren sind, sollten diese konkret benannt und entsprechend vertraulich eingestuft werden. Es ist jedoch wichtig, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot rechtlich korrekt und angemessen formuliert ist. Denn ein solches Verbot ist nur verbindlich, wenn es dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des Arbeitgebers dient und die berufliche Weiterentwicklung des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwert. Die Rechtsprechung legt auch hier strenge Anforderungen an die Ausgestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote (z.B. OLG Köln, 01.06.2023 – 18 U 29/23).
Rübel: Geschäftsgeheimnisse, konkrete Schutzmaßnahmen und übergreifende Schutzkonzepte sollten regelmäßig überprüft und angepasst werden, beispielsweise in Bezug auf deren aktuellen wirtschaftlichen Wert oder die Kennzeichnung als Geschäftsgeheimnis. Insbesondere sollten Arbeitgeber technische Schutzmaßnahmen regelmäßig überarbeiten und Berechtigungskonzepte aktualisieren, damit nach dem Need-to-know-Prinzip nur die Personen Zugriff auf Informationen erhalten, die sie wirklich benötigen. Dabei ist auf eine sorgsame, möglichst schriftliche Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen zu achten.
Posluschny: Arbeitsverträge, insbesondere solche mit ihren Wissensträgern, sollten ebenfalls regelmäßig auf den Prüfstand gestellt werden und im Falle von enthaltenen Catch-all-Klauseln angepasst werden. Dies betrifft sowohl Musterverträge als auch bestehende Verträge mit Arbeitnehmern und ggf. Dritten. Damit der Arbeitnehmer klar erkennen kann, dass eine konkrete Information als Geschäftsgeheimnis von der arbeitsvertraglichen Klausel umfasst ist, könnten die einbezogenen Geschäftsgeheimnisse beispielsweise in einem Anhang zum Arbeitsvertrag aufgeführt werden.
Rübel: Um dem Verrat von Geschäftsgeheimnissen vorzubeugen, ist zu erwägen, etwaige Verstöße durch Vertragsstrafen zu sanktionieren. Dies hätte den Vorteil, dass dem Arbeitnehmer eine weitere Hürde auferlegt würde und dem Arbeitgeber im Schadens- bzw. Streitfall zusätzliche Handlungsoptionen zur Verfügung stünden.
Rübel: Bisher war der Geschäftsgeheimnisschutz auf „Geschäftsgeheimnisstreitsachen“ beschränkt. Der deutsche Gesetzgeber hat darin eine Schutzlücke erkannt und den Schutzbereich mit Wirkung vom 01.04.2025 auch auf arbeitsgerichtliche Verfahren ausgeweitet: Nach § 273a ZPO kann das Gericht, auf Antrag einer Partei, streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, sofern diese ein Geschäftsgeheimnis gemäß § 2 GeschGehG sein können. Damit stehen nun auch im Arbeitsgerichtsprozess die verschiedenen Eskalationsstufen der §§ 16 bis 20 GeschGehG zur Verfügung.
Posluschny: Dies bedeutet im Einzelnen: Sofern das Gericht die Geheimhaltungsbedürftigkeit nach § 273a GeschGehG feststellt, dürfen die geschützten Informationen außerhalb des Gerichtsverfahrens nicht genutzt oder weitergegeben werden. Diese Geheimhaltungspflicht wirkt auch nach Abschluss des Verfahrens fort. Verstöße können mit einem Ordnungsgeld bis zu 100.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft bestraft werden. Außerdem kann das Gericht den Zugang zur mündlichen Verhandlung oder zu bestimmten Dokumenten beschränken.
Rübel: Für Arbeitgeber bringt die Neuregelung einerseits tatsächlich neue prozessuale Möglichkeiten und vor allem mehr Rechtssicherheit. Andererseits ist zu bedenken, dass es keinen absoluten Geheimnisschutz vor Gericht gibt. Es ist daher unverzichtbar, dass Arbeitgeber und Prozessanwälte über eine gut durchdachte und ausgereifte Prozessstrategie verfügen, um den Schutz geistigen Eigentums zu gewährleisten.
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